Page - 540 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

540 November 1873 5 10 15 20 25 30 35 Erl. zur Z. 245f. ◼ 158 des betheiligten Pianisten] Wilhelm Schenner (1839–1913), Organist, Pianist; ab 1864 Prof. am Konservatorium der GdM. ◼ 170f. auf Händels „Alexander-Fest“ zurückkommen] zur Aufführung von Händels Kantate → Nr.  130. ◼ 176 Ramler] Karl Wilhelm Ramler (1725–1798), dt. Dichter und Philosoph. 132. WA 1873, Nr. 271, 25. November Feuilleton. Musik. Frau Essipoff. Julius Zellners neues Pianoforte-Concert. Hatte sich die Pianistin Frau Annette Essipoff bei den Philharmonikern unserem Publicum durch den Vortrag des E-moll-Concertes von Chopin in glänzender Weise eingeführt, so konnte dieses günstige Urtheil durch ihr eigenes Concert, welches sie im kleineren Saale der Gesellschaft der Musikfreunde veranstaltete, nur bestätigt werden; ja, das Bild der Künstlerin trat diesmal nur noch bedeuten- der hervor, da sie in einem sehr mannigfach, von J.  S. Bach angefangen bis auf Rubinstein und Liszt zusammengestellten Programm eine bewundernswerthe Vielseitigkeit entwickelte. Der überaus lebhafte Antheil, den das den ganzen Saal dicht füllende Publicum an ihren Leistungen nahm, bürgt dafür, daß Frau Essipoff als Pianistin ihren künstlerischen Credit in Wien ein für alle Mal fest begründet und fortan gewonnenes Spiel hat. Als wir ihren Namen in den Ankündigungen lasen, mag er für Viele ein unbekannter gewesen sein und selbst diejenigen, für welche er keinen völlig fremden Klang hatte, wußten von ihr kaum mehr, als daß sie eine gewesene, mit der großen Goldmedaille betheilte Schülerin des Petersbur- ger Conservatoriums und eine in der nordischen Kaiserstadt sehr geschätzte Pia- nistin sei. Die Reclame hatte vor ihr nicht hergetrommelt, die Journale hatten uns nicht daran gewöhnt, alle Augenblicke etwas über sie zu lesen, sogar die Alleweltsdiene- rin Photographie hatte uns vorläufig ihre anmuthige persönliche Erscheinung vor- enthalten. Sie kam, spielte und siegte! Und zwar bei einem Publicum, welches neuen Erscheinungen selten mit großem Vertrauen entgegenzukommen pflegt, an das Allerbeste gewöhnt, kritisch – zum Glücke aber für wirklich Vortreffliches auch sehr empfänglich ist. Daß Frau Essipoff zu allererst im philharmonischen Concerte spielte, war eine sehr kluge Taktik, deren unmittelbare Frucht der glän- zende Besuch ihres eigenen Concertes war. Es fand sich da ein Publicum zusam- men, wie sie es sich nicht besser hätte wünschen können, ihre Wiener Colleginnen und Collegen erblickten wir so ziemlich vollzählig und der warme, herzliche Bei- fall, welchen gerade diese Fraction der Zuhörerschaft spendete, fällt schwer ins Gewicht. Da saßen die Kenner und belauerten jeden Tact, aber nur um nach dem Schlußaccord die Hände so lebhaft in Bewegung zu setzen wie die Uebrigen. Das Concert dauerte sehr lange, Frau Essipoff spielte zwei große Concerte mit Orches- ter, ein Heldenstück, zu dem wir von früher her in unserer Erinnerung kein zwei-