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„Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung
must be pooled. [ … ] During the war realization of the existing inequalities was sharpened by
the reports of the Selective Service on the number of young men who had to be rejected on ac-
count of mental and physical deficiencies. The figures on illiteracy only helped to confirm the
reports of the census of 1940 on the subject.”391
Erst im Kontext der breit geführten inneramerikanischen Auseinandersetzung zu den
Werten und Grundlagen der Demokratie tauchten erste Überlegungen hinsichtlich der
Frage auf , was in der historischen Entwicklung des „deutschen Charakters“ schief gelau-
fen sein könnte und wie nach Kriegsende durch geeignete Rekonstruktions-Maßnahmen
eine nachhaltige , friedensichernde Demokratisierung der Achsenmächte zu erreichen
wäre.
„Education in Wartime“
– Nationalsozialismus als
Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft
„Tarzan : Jetzt ist Sandra vor ihnen sicher. Was sind das für Männer ?
Sandra : Deutsche Soldaten. Sie haben unser Volk zu Sklaven gemacht.
Tarzan : Du meinst , diese Männer sind Nazis ?“392
Tarzan Triumphs ( Tarzan and the Nazis ), 1943
Die Ausbreitung des Faschismus beziehungsweise des Nationalsozialismus in Europa , die
schnellen Erfolge des deutschen „Blitzkriegs“ im Frühjahr und Sommer 1940 , der ideolo-
gische Kreuzzug gegen Amerika und seine Werte und Ideale der „free world“, aber auch die
Parteinahme und Unterstützung Großbritanniens bei gleichzeitiger Intensivierung der ei-
genen Verteidigungsbereitschaft hatten zur Folge , dass in der amerikanischen Öffentlich-
keit eine breite Diskussion über demokratische Grundwerte und die notwendige Stärkung
der geistigen Abwehrkräfte der Nation einsetzte.
391 I. L. Kandel. The Impact of the War upon American Education , Chapel Hill , N. C. 1948 , 7.
392 Im Kampf gegen den Nationalsozialismus wurden auch populäre Filmstoffe des US-Unterhaltungskinos
in allegorisch-parodistischer Weise ideologisiert. In der vom U. S. State Department finanzierten Film-
produktion „Tarzan Triumphs“ ( Tarzan und die Nazis ) 1943 unter der Regie des emigrierten österreichi-
schen UFA-Regisseurs William [ Wilhelm ] Thiele ( 1890–1875 ) kämpft Johnny Weismüller auf Basis der
Romanvorlage des Tarzan-Erfinders Edgard Rice Burroughs gegen im Dschungel abgestürzte Nazis und
schreckt dabei selbst nicht vor grausamen Bestrafungsmaßnahmen zurückt. In einer Szene telephoniert
Tarzans Schimpanse Cheeta mit Grunz- und Kreischlauten mit NS-Offizieren in Deutschland und wird
dabei akkurat für den „Führer“ gehalten. Vgl. Rudolf Ulrich , Österreicher in Hollywood , Wien 2004 ,
523 f. ; weiters : Caroline Joan Picquard , The Holocaust Film Source book. Documentary and Propaganda ,
Westport 2004 , 472 f. ; zu Wilhelm Thiele siehe : Klaus Kreimeier , The Ufa-story. A history of Germany’s
greatest film company , 1918–1945 , New York 1996 , 325 f.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741