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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 )
“Having been one of the first exiles to reach these shores I am now
by the wheel of fortune among the last to find my place.”1582
„Ich habe in der Tat die Idee heimzukehrem niemals aufgegeben , ohne daß ich wüß-
te , wie sie realisierbar sein wird. Was Du von der Möglichkeit einer Position für mich
sagst , zeigt , daß Du Deine und meine Landsleute noch immer zu wenig kennst. Meine
schon von der Grazer Fakultät erworbene Berufung ist , wie mir ernsthaft versichert wur-
de , an dem leidenschaftlichen Widerstand von Gorbach , Funder , Knoll , denen schließ-
lich Hurdes nach anfänglicher Sympathie erlag , schon vor Jahren gescheitert.“1583
Als Beispiel sind in dem genannten Zusammenhang die Bemühungen Ernst Karl Winters
zu nennen , nach Kriegsende aus der US-amerikanischen Emigration nach Österreich zu-
rückzukehren , um
– endlich
– an der Universität Wien zu lehren. Das Remigrationsvorha-
ben wurde zwar im zweiten Anlauf von Unterrichtsminister Hurdes unterstützt , verzögerte
sich aber durch das Negativ-Lobbying der Universität schier endlos ; selbst von den zu-
ständigen US-Militärbehörden bekam der prononcierte „Anti-Nazi“1584 und ausgewiesene
sozialwissenschaftliche Gelehrte1585 keinerlei Unterstützung.
1582 U. S. Office of Strategic Services. Foreign Nationalities Branch Files 1942–1945. Indexes , Bethesda 1998
[ Mikrofiche-Bestand , Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien , Bibliothek ] , INT–4AU–159 ,
Ernst Karl Winter an Office of Strategic Services , 15. August 1942 , 6. Für den Hinweis auf dieses Quel-
lenmaterial des amerikanischen Geheimdienstes bin ich Herrn Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb zu
Dank verpflichtet.
1583 Ernst Karl Winter in einem Brief an Kurt Schuschnigg vom 1. April 1950. Zit. nach : Hugo Pepper ,
Ernst Karl Winter und die Sozialdemokratie – im Spiegel von AZ und Kampf. In : Siegwald Gangl-
mair ( Red. ), Jahrbuch 1996. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes , Wien 1996 ,
171.
1584 Vgl. dazu u. a. Karl Hans Heinz , War der „Anschluß“ unvermeidlich ? Dr. Ernst Karl Winters Briefwech-
sel mit Dr. Kurt Schuschnigg. In : Die Zukunft , Jänner 1981 , Heft 1 , 30 ff. ; Ders., Ernst Karl Winter. Ein
Katholik zwischen Österreichs Fronten 1933–1938 , Wien – Köln – Graz 1984 , 253 ff. ; Gerd-Peter Mit-
terecker , Der Publizist Ernst Karl Winter. Möglichkeiten und Grenzen oppositioneller Medienarbeit im
autoritären Staat , Dipl.-Arb., Univ. Wien 1995 , 75 f. ; zuletzt : Erwin Bader , Ernst Karl Winter und die
Versöhnung der politischen Lager. In : Ulrich E. Zellenberg ( Hrsg. ), Konservative Profile. Ideen & Praxis
in der Politik zwischen FM Radetzky , Karl Kraus und Alois Mock , Graz u. a. 2003 , 366 f.
1585 Vgl. Reinhold Knoll , Die Soziologie in der Geschichte am Beispiel von Ernst Karl Winter. In : Michael
Benedikt / Reinhold Knoll / Cornelius Zehetner ( Hrsg. ), Verdrängter Humanismus – verzögerte Auf-
klärung. Bd. V : Im Schatten der Totalitarismen. Vom philosophischen Empirismus zur kritischen An-
thropologie. Philosophie in Österreich 1920–1951 , Wien 2006 , 1065 ff. ; des Weiteren : Alfred Missong ,
Ernst Karl Winter – Denker , Bekenner , Kämpfer. In : Ernst Karl Winter – Bahnbrecher des Dialogs.
Ausgewählt und eingeleitet von Alfred Missong (= Ernst Karl Winter , Gesammelte Werke. Bd. 1. Hrsg.
v. Ernst Florian Winter ), Wien – Frankfurt – Zürich 1969 , 12 ff.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741