Page - 51 - in Joseph Lanner - Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
Image of the Page - 51 -
Text of the Page - 51 -
51
Werke
die Bezeichnung „Walzer“ als auch die Bezeichnung „Ländler“ vorkommt. Nr. 1 „Ländler für Tanzlusti-
ge“, Nr. 2 hat keinen Titel, Nr. 3 „Walzer für Liebende“ in der Tonart Des-Dur, Nr. 4 „Trink-Walzer“, Nr.
5 „Walzer für Jagdfreunde“, Nr. 6 „Erinnerung aus Oberösterreich“. Die Coda bringt einen dramatischen
Beginn, einen lyrischen Mittelteil, der Ländler klingt im piano aus (also kein kräftiger Tanzabschluss,
sondern ein sehr poetischer Ausklang).
Mit eben diesem Ländler beendete Lanner die Zusammenarbeit mit Haslinger und wechselte zu Me-
chetti. Vermehrt wurden seine Auftritte nicht nur angekündigt, sondern die Novitäten auch besprochen,
wobei generalisierende Bemerkungen gegenüber profunden Analysen dominieren. Man muss in Betracht
ziehen, dass die Rezensionen auf flüchtigem Hören beruhten, dass keine Noten vorlagen (Partituren über-
haupt nie) und die Berichterstatter kaum als fachlich versiert nach unseren Vorstellungen gelten konnten.
Ein Beispiel für eine ausführliche Kritik (Uraufführung des Olymps Walzer op. 67 am 28. November 1832
im Apollosaal) sei an dieser Stelle gegeben, sie erschien in der Theaterzeitung vom 29. 12. 1832: „Seine
neueren Olymp=ländler überraschen durch neue und frappante Effekte, die durch die größte Mannigfal-
tigkeit in der Instrumentierung gesteigert werden und zum Tanz ermuntern.“ Es folgt eine ausführliche
Analyse der einzelnen Teile: „Der erste dieser Olympländler ist sehr lieblich und besonders wird der
zweyte Theil durch die hübsche Harmonie interessant. Der Zweyte zeichnet sich durch naive Bewegung
aus, und gefällt im zweyten Theile durch die chromatischen Gänge. Nr. 3 macht durch die eingeschalte-
ten Triller recht guten Effekt indeß Nr. 4 die drey nachschlagenden Achtel den Takt recht schwunghaft
machen; die Unisono=Gänge im 5. machen energische Wirkung und stechen sehr gut ab, gegen den
gesamten gesangreichen 6. Tanz, der den Uebergang macht zu dem bunten effektvollen Finale.“
Aus den Walzern der frühen Dreißigerjahre stechen folgende besonders hervor: „Amoretten-Walzer“ op.
53 (sowohl im Allgemeinen musikalischen Anzeiger als auch in der Theaterzeitung enthusiastisch bespro-
chen), „Die jüngsten Kinder meiner Laune“, deren Untertitel „Die Schmetterlinge“ den Rezensenten
der Theaterzeitung zu dem launigen Wortspiel veranlasste: „Lanners neueste Walzer ‚die Schmetterlinge‘
flatterten mit buntfärbigen Flügelchen durch die Lüfte und bezauberten.“157, und besonders „Die Aben-
teurer“ op. 91, und „Die Humoristiker“ op. 92, die rasch zu Lieblingsstücken des Wiener und des Pesther
Publikums wurden und regelmäßig gespielt wurden.
Pesth markierte einen weiteren Qualitätssprung, der im „Pesther Walzer“ op. 93 seinen Niederschlag fand.
Mit einer abgeschlossenen Introduktion, mit weit ausgespannten Melodiebögen, die kühn von Moll über
Nebentonarten zu fragilen Durpassagen führen, ist der Übergang vom Tanzwalzer zum symphonischen
Tongedicht abgeschlossen. Das Thema des ersten Walzers beruht auf einem zweitaktigen Hemiolenmo-
tiv, das laufend sequenziert wird und den ersten Abschnitt auf sechzehn Takte ausdehnt. Nie zuvor war
Lanner Schubert so nahe wie hier: kreisend um ein vages tonales Zentrum, Sequenzen, die nicht wie bei
Beethoven Bausteine von Steigerungen und Vorwärtstreiben werden, sondern in sich ruhen, erst am Ende
der Phrase, nach schrittweisem Absinken jeweils um eine Sekunde mit einem unerwarteten Oktavsprung
sich zur Dominante wenden und in einer Generalpause münden. Selbstverliebte Melancholie, trügerische
Idylle, wienerische Gemütlichkeit, die jederzeit in Zu-Tode-Betrübtsein umschlagen kann: Walzer wie
dieser waren es, die konzertant vorgetragen erst ihrer Wirkung entfalten konnten und der nachfolgenden
Generation den Weg wiesen.
Waren in früheren Werken motivische Bezüge zwischen den einzelnen Walzerabschnitten nahezu unbe-
kannt, so knüpft Lanner in op. 93 ein dichtes Netz an Querverweisen: aus dem Hemiolenmotiv des ersten
Walzers ergibt sich ein nahezu identes Motiv als Thementräger im zweiten Walzer, dem e-Moll folgt G-Dur.
Genial der Ãœbergang vom Eingang zu Walzer Nr. 3, der in Fis-Dur steht (einerseits Dominante zu H-Dur
und somit terzverwandt zum G-Dur des vorangegangenen Walzers, terzverwandt aber auch dem folgenden
D-Dur, das wiederum zum Ausgangspunkt G-Dur zurückführt). Der zweite Teil von Walzer Nr. 3 kontras-
157 Theaterzeitung 6. 10. 1832.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der Abkürzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- Flüchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang