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Werke
In seinen Melodien fallen Auftakte und Lanners Hang zur Hemiolenbildung auf, er nimmt jede Gele-
genheit wahr, die rhythmisch einfache Abfolge des Walzertaktes aufzulockern und kleine „Fallen“, etwa
durch Synkopen fĂĽr seine Tanzpaare einzubauen.
Dieser merkwürdige Tanz, der in Wien seine endgültige Ausprägung gefunden hatte und nur in Wien
so getanzt wurde, dass er den Namen „Wiener Walzer“ verdiente, hat Rezensenten zu mannigfaltigen
Ăśberlegungen ĂĽber sein Wesen, seine weit ĂĽber den Tanz hinausragende Bedeutung im Gesellschaftsleben
einer ganzen Nation, angeregt. „Der Walzer drückt immer eine Idee aus“, sucht der Rezensent der Thea-
terzeitung im Artikel „Strauß und der deutsche [sic!] Walzer“ dem Geheimnis des Tanzes auf die Spur zu
kommen, „gleich dem Leben mit seinen tausenderlei Gestaltungen wird auch der Walzer die größte Man-
nigfaltigkeit offenbaren müssen. Die Melodie wird bald zärtlich, bald leidenschaftlich, bald lustig, bald
melancholisch, bald schmachtend, bald stĂĽrmisch seynÂ
… Der Walzer muß stets ein Ganzes, eine Einheit
seyn. Ein Hauptgedanke muĂź sich durch alle Partien hindurchziehen, alle Abschweifungen dĂĽrfen nur
eine Variation desselben bilden.“159 Regelmäßig wird Lanner mit Strauß verglichen, sein Bemühen um
das Werkganze gewürdigt: „Zu leugnen ist nicht, dass seine Compositionen mehr Fluß, kunstmässigere
Bässe und Uibergänge haben, als man dies von Strauß sagen kann.“160 Lanners Vermögen, diese Einheit
inmitten der Vielfalt zu bewahren, hob ihn weit ĂĽber seine Mitbewerber hinaus.
Polka
Relativ spät, um 1830, entstand die Polka in Böhmen, von wo aus sie nach Wien und später bis Paris
verbreitet wurde.
Lanner schrieb fast keine Polkas, dafĂĽr ist eines seiner bekanntesten Werke eine: die Ende 1841 komponier-
te „Hans-Jörgl-Polka“ op. 194, die ihren Namen von den „komischen Briefen des Hans Jörgel an seinen
Schwager Maxel in Feselau“ hat, welche ab 1832 veröffentlicht wurden. Zuvor bereits hatte Lanner die „Cer-
rito-Polka“ op. 189 geschrieben, die an die berühmte Tänzerin Fanny Cerrito erinnert, welche 1836 erstmals
in Wien gastiert hat. Ein Jahr später entstand die „Favorit-Polka“ op. 201. Ähnlich gering wie bei Lanner
ist der Polka-Anteil bei Johann Strauß Vater. Sein bekanntestes Werk in diesem Genre ist die „Sperl-Polka“.
Nach Lanner und StrauĂź Vater gewann die Polka an Bedeutung. Johann StrauĂź Sohn entwickelte die
Form weiter, es entstanden die Polka-schnell (die ihre Wurzeln auch im Galopp hat), die Polka francaise
und die Polka Mazur. Entwicklungslinien hin zu diesen Formen beginnen bereits bei Lanner, allerdings
tragen die Ausgangspunkte andere Namen.
Galopp
Tanzlexika bezeichnen den Galopp als einen „raschen Rundtanz im 2/4-Takt“161, ältere Musiklexika füh-
ren den Begriff nicht als eigenständig an, sondern lediglich in Verbindung mit der Polka. Die übliche
Datierung fĂĽr das Aufkommen des Galopps (um 1825) muss anhand der Werke Lanners, aber auch man-
cher Vorläufer, hinterfragt werden. Belegt ist, dass am Ende einer Walzerpartie gerne eine Art rascher
Abschluss getanzt wurde, der als Ursprung des Galopps angesehen werden kann. Glaubt man Berichten
um 1800, so war diese Praxis bereits um die Jahrhundertwende üblich: „Auf vielen Bällen ist es zur
Mode geworden, den so genannten Kehraus oder den letzten Walzer mit einer Art von wildem Tanze zu
schließen, an dem die ganze Gesellschaft Theil nimmt, und wozu eine eigene Musik gehört. Diese Tänze
sind mehrerley, Bohemienne, Milady, Gallopade. Alle bestehen in einigen leichten allgemeinen Touren,
hauptsächlich ist ihr Charakter Wildheit, rasende Schnelligkeit und regelloses Springen.“162 Ähnlich äu-
ßert sich „Der Wanderer“ im Oktober 1840 (siehe oben). Aus der Bezeichnung „Gallopade“ (manchmal
159 Theaterzeitung 12. 2. 1838.
160 Theaterzeitung 2. 6. 1842.
161 Schneider a.a.O. S. 178, 2. Sp.
162 Neuestes Sittengemälde von Wien, zitiert nach Witzmann a.a.O. S. 83.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang