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Joseph Lanner - Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
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62 Joseph Lanner – Leben und Werk Quodlibet – Potpourri Der Musikwissenschaftler, speziell der an Schönberg, Webern, Adorno und Ratz geschulte Analytiker, begegnet dem Quodlibet oder Potpourri mit Misstrauen, ja bisweilen unverhohlener Verachtung. „Die Aufklärung und das 19. Jh. hatten wenig Verständnis für das Quodlibet, das später oft mit Potpourri gleichgesetzt wurde.“186 Riemann widmet in seinem Musiklexikon dem Stichwort „Potpourri“ gerade einen ganzen Satz187, unter „Quodlibet“ finden sich lediglich Verweise auf das 16. u. 17. Jahrhundert188. Im großen bürgerlichen Konzertabend – mit einer Beethoven-, Brahms- oder Brucknersinfonie als Schwer- gewicht im zweiten Teil – kommt das Potpourri nicht vor, schon ein Variationenwerk nährt den Verdacht, hier bediene sich einer billig, dem es an Einfallsreichtum gebricht, an fremdem Gut. Das Potpourri fin- det seinen Platz dort nur, wo künstlerischer Anspruch weder im Werk selbst noch in seiner Wiedergabe erwartet wird: im Kursalon, in der Sommerfrische. Bis ins 21. Jahrhundert hält sich so ein bestimmtes Repertoire, das vom gleichen Publikum mit nachsichtigem Lächeln genossen wird, welches im Goldenen Saal der Residenzstadt die Nase rümpfte, läse es in den Ankündigungen der philharmonischen Konzerte ein „Zweites beliebtes Wiener Quodlibet mit Motiven aus Paganinis 1. Konzert (mit dem Glöckchen)“ von Lanner oder ein „Drittes Potpourri: Musikalisches Ragout“ von Johann Strauß Vater. Die gängigen Definitionen bezeichnen mit „Quodlibet“ ein Musikstück, in welchem mehrere bekannte Melodien – als Zitate oder auch vollständig – lose aneinandergereiht sind, wobei der scherzhafte Charak ter (besonders durch Verwendung von Volksliedern, häufig derbem oder gar zotigem Inhaltes) betont wird. Der französische Ursprung des Begriffs „Potpourri“ verweist auf die freie Gestaltung, die einzelnen Musik stücke werden durch kurze Überleitungen verbunden. Im 19. Jahrhundert entstanden dann jene Potpourris, welche bis heute das Bild dieser scheinbar formlosen Form prägen: Potpourris nach beliebten Opern und Tänzen, zur Unterhaltung, gelegentlich auch zu pädagogischer Absicht arrangiert. Gleichzeitig begannen ernsthafte Komponisten wie Liszt sich mit Potpourris zu befassen. Thalberg, der sich in Paris in eine heftige Auseinan- dersetzung mit Liszt verstrickt sah (und der – heute nahezu vergessen – zu seiner Zeit als der bedeutendere der beiden galt), schrieb Fantasien über gerade aktuelle Opern (von Webers „Euryanthe“ über Meyerbeers „Robert der Teufel“ und „Hugenotten“ bis Rossinis „Siège de Corinth“ und „Wilhelm Tell“). Liszt schrieb Paraphrasen über Virtuosenstücke von Berlioz und Paganini ebenso wie Opernphantasien über Mozart, Verdi und Wagner. Im Musiktheater werden als „Potpourriouvertüre“ jene Ouvertüren bezeichnet, in wel- chen die eingängigsten Melodien des nachfolgenden Bühnenstückes vorgestellt werden. Als Form ist das Potpourri per se an keine Vorgaben gebunden. Dem Bearbeiter – Komponist wäre meist zu hoch gegriffen – kommt die Auswahl der Themen und die Gestaltung der überleitenden Takte mit den notwendigen Modulationen zu, wobei nicht selten die Brüche zwischen Originalteilen und verbinden- dem Kleister besonders krass ausfallen, je wertvoller die übernommenen Melodien, je unbeholfener die Versuche, bloß Nebeneinanderstehendes durch Einheit Stiftendes zu verbinden, sind. Dabei waren die Ursprünge durchaus ehrenwert: ein Publikum, welchem die Hofoper, der adelige oder bürgerliche Konzertsaal verschlossen war, konnte teilhaben an den Novitäten, über welche die Presse schwärmerisch berichtete. Wer nicht das Glück hatte, die neueste Premiere von Bellini oder Rossini zu hören oder schlicht nicht das Geld, Paganini in einem seiner seltenen Konzerte in Wien live zu erleben, dem brachte die Lannersche Kapelle verlässlich ein „Best of“ im nächsten Volksgartenkonzert. Diese „Reader’s Digest-Form“ hatte ihre unbestrittenen Vorteile: man konnte sich darauf verlassen, dass der Bearbeiter die schönsten Melodien ausgesucht hatte, man wurde weder von einer störenden Handlung noch von einem unverständlichen (meist italienischen) Text abgelenkt, und hatte dennoch Anteil am kul- turellen Leben der Oberschicht. Bis heute bildet das Opernpotpourri das Herzstück eines guten Kurkon- zertes (mit einem Straußschen Walzer als krönendem Abschluss), und der Verdacht lässt sich nicht von 186 Honegger/Massenkeil, „Das große Lexikon der Musik“, Freiburg i. Br. 1978 u. 1987, Bd. 6, S. 386, Kapitel „Quodlibet“ von G. Schuhmacher. 187 „Eine bunte Folge von Melodien (Quodlibet, Allerlei)“, Riemann, Musiklexikon, Leipzig, 51900, S. 884. 188 Riemann a.a.O. S. 906; siehe auch Apel, Harvard Dictionary of Music, Bloomington, 121979.
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Joseph Lanner Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
FWF-E-Book-Library
Title
Joseph Lanner
Subtitle
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
Author
Wolfgang Dörner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78793-8
Size
21.0 x 29.5 cm
Pages
752
Keywords
Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
Category
Biographien

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. Danksagung 9
  3. Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
  4. Biographische Notizen 13
  5. Reisen 16
  6. Beginn – Werden – Sein 21
  7. Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
  8. Tanz 28
  9. Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
  10. Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
  11. Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
  12. Publikum 44
  13. Werke 46
  14. Instrumentation 69
  15. Formen 79
  16. Notenmaterialien 86
  17. Widmungsträger 95
  18. Titel 97
  19. Verlage 100
  20. Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
  21. Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
  22. Virtuosentum 106
  23. Romantik – Biedermeier 108
  24. Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
  25. Rezension – Rezeption 113
  26. FlĂĽchtige Lust 115
  27. Literatur 117
  28. I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
    1. Vorwort 119
    2. Verlage 123
    3. AbkĂĽrzungen 123
    4. Bisherige Verzeichnisse 125
    5. Werkverzeichnis
    6. Opus 1 – 208 127
  29. II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
    1. Werkverzeichnis Anhang 1 – 90 e 605
  30. III. Sammelwerke und diverse Werke 717
  31. IV. Anhang
    1. Verzeichnis der Werke Joseph Lanners in alphabetischer Reihenfolge 721
    2. Widmungsträger 737
    3. August Lanner. Chronologisch-Thematisches Werkverzeichnis 739
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