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Notenmaterialien
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Partitur – Autograph
Lanners erhaltene Partiturautographe sind ein Musterbeispiel fĂĽr sichere und optisch ansprechende No-
tation. Könnte man aus der Handschrift Rückschlüsse auf Lanners Charakter ziehen, uns träte ein be-
herrschter, in sich ruhender, sein Wollen zielgerichtet und effizient artikulierender Mensch entgegen.
Ob Lanner von Anfang an Partituren erstellte oder direkt in Stimmen schrieb, wissen wir nicht. Da sich
aber von frĂĽhen Werken Partituren erhalten haben, dĂĽrfen wir mit aller gebotenen Vorsicht annehmen,
dass Lanner seine Tänze und Bearbeitungen stets als Partitur niederschrieb.
Seine allerersten noch nicht gedruckten Werke zeigen uns die gleiche Handschrift wie seine letzten groĂźen
Walzer. Weit über zwanzig Jahre ändert sich deren Charakteristik kaum. Seine stilisierten Violinschlüssel
und dynamischen Anweisungen lassen darauf schlieĂźen, dass er seine Werke nie in Eile zu Papier brachte,
Zögern oder gar Korrigieren kommt so gut wie nie vor.
Die Partituranordnung ist weitgehend immer gleich: in den obersten Systemen Streicher, darunter Holzbläser,
Blechbläser und Schlagzeug, innerhalb der Gruppen entsprechend der Lagen von der höchsten zur tiefsten. Reich-
ten die vorhandenen Systeme nicht aus, so schrieb Lanner entweder Schlagzeugstimmen auf eigenen Linien unten
dazu, manchmal wechselt auch die Anordnung bei neuen Seiten. Die Akkoladen werden auf der ersten Seite
bezeichnet, dann nicht mehr, Wechsel von Instrumenten (Hörner/Trompeten) erfolgen stets unter Angabe der
Stimmung, sind aber nicht in der Anfangsakkolade vermerkt. FĂĽr neue Nummern verwendet Lanner gerne eine
neue Seite, paginiert werden nicht die Seiten, sondern die Blätter (manchmal stammt die Paginierung nicht von
Lanner selbst, sondern von Bibliotheksmitarbeitern, welche das neu erworbene Autograph inventarisierten und
zu diesem Zweck neben dem Bibliotheksstempel die Paginierung zur Kontrolle vornahmen).
Lanners menschliche Seite tritt uns in seiner Signatur entgegen: so wie Haydn mit „Laus Deo“ endet, so
Lanner „Mit Gott“ (manchmal auch: „Mitt [sic!] Gott“) neben dem Kopftitel. Die späten Partituren sind
nach dem letzten Takt datiert und signiert, unter Angabe des Ortes „Ober-Döbling“, wo er seine letzte
Wohnung genommen hatte.
Auf Eigenheiten der Notation wurde bereits hingewiesen, an dieser Stelle sei noch festgehalten, dass Lan-
ners autographe Partituren den tatsächlichen Willen darstellen dürften. Von vielen Komponisten wissen
wir, dass sie nach AuffĂĽhrungen und direkt in gedruckte Stimmen oder Partituren Ă„nderungen eintrugen.
Das zu Lanners Zeit veröffentlichte gedruckte Stimmenmaterial weist hingegen nicht jene Umsicht in der
Erstellung auf, aus der wir auf Authentizität schließen könnten (siehe dort). Im Zweifelsfall sollten Lan-
ners Autographen der Vorzug gegeben werden (mit Abstrichen den Stimmenabschriften aus seiner Zeit
siehe dort). Seine Partituren weisen fallweise Spuren von Bearbeitungen auf, sie waren einerseits Stich-
vorlage für die Verlage, andererseits dienten sie späteren Kapellmeistergenerationen (insbesondere der Fa-
milie Pfleger, siehe Werkverzeichnis) als Grundlage fĂĽr Erweiterungen (2. Oboe, 2. Fagott etc.), die diese
Adaptionen direkt in die Autographe (meist mit roter Tinte zur besseren Unterscheidung) eintrugen.
Bis heute wurden – sieht man vom Band 65 der „Denkmäler der Tonkunst“ ab, welche eine schmale Aus-
wahl an Werken vorstellt und die diese Ausgabe anhand von Stimmenabschriften erstellen musste, da die
Autographe noch nicht vorlagen – erst wenige Partituren gedruckt. Merkwürdig nimmt sich eine Anzeige
des Verlags C. Mechetti in diesem Zusammenhang aus: „ … die in genannter Handlung [Mechetti, Erg.
d. Verf.] sowohl in Partitur, als auch in Orchester Stimmen zu haben sind.“234 Hat Mechetti Abschriften
der Partitur zur VerfĂĽgung gestellt? Wenn ja, so sind sie verschollen wie so vieles aus dieser Zeit.
Fast alle der vorhandenen Autographe werden in der Musiksammlung der Wienbibliothek aufbewahrt
(groĂźteils ehemalige Sammlung Simon).
234 Theaterzeitung 21. 6. 1831.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang