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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Albert Lichtblau Zu Beginn der Ersten Republik war der Antisemitismus bereits im bürgerlichen, konservativen und nationalistischen Lager verankert. Der Verbalantisemitismus suchte nach neuen Ausdrucksformen und die judenfeindliche Haltung begann ab 1918 den Alltag erneut zu durchdringen. Er erfasste Menschen außerhalb des parteipolitischen Spektrums, indem es gelang, in immer mehr Organisationen und Vereinen – be- kanntestes Beispiel ist der Alpenverein9 – mit sogenannten „Arierparagraphen“ eine Mitgliedschaft von Juden und Jüdinnen statutarisch zu verbieten. Vorbild dafür wa- ren zahlreiche Burschenschaften, die seit 1877 derartige Statuten beschlossen hatten. Es mehrten sich Versuche, eine antisemitische Ökonomie zu etablieren, indem Juden und Jüdinnen als Personae ingratae definiert wurden. Wie in Zeiten vor der Gleich- berechtigung wurden erste apartheidsähnliche „judenfreie“ Räume geschaffen. 0 Ge- meint sind die Beschlüsse von einzelnen Ortsgemeinden, die als Sommerfrischeorte bekannt waren, oder Hotels, die damit warben, dass jüdische Gäste unerwünscht seien. Die Universitäten wurden Austragungsorte des mit brutaler Gewalt geführten Kampfes um Apartheidsbereiche. Der sozialdemokratische Stadtrat für Wohlfahrts- und Gesundheitswesen Julius Tandler – er war schon vor der Jahrhundertwende zum Katholizismus konvertiert und keineswegs frei von antiostjüdischer Einstellung – und die bei ihm jüdischen Studierenden waren Hasszielobjekte deutschnationa- ler Studierender. Die späteren Vertreibungsszenarien wurden bereits im Kleinen ge- übt, als die Antisemiten jüdische Studenten und Studentinnen mit Gewalt aus den Hörsälen vertrieben. Die apartheidsähnlichen Vorstellungen waren keineswegs nur Ausdruck jugendlicher Radikalität, sondern bereits etabliertes Allgemeingut der Bil- dungsschichten, wie der Beschluss der Wiener Rektorenkonferenz von 1930 zeigt, demzufolge die Studierenden in vier Nationen zu unterteilen seien : eine deutsche, nichtdeutsche (jüdische), gemischte und andere. Der akademische Senat ging so weit, dass der Studierende sich nicht selbst als deutsch bezeichnen konnte, wenn der Nach- weis nicht gelang, dass trotz österreichischer Staatsbürgerschaft nicht alle vier Groß- elternteile getauft waren. Nachdem der österreichische Verfassungsgerichtshof am 23. Juni 1931 diese Verordnungen außer Kraft gesetzt hatte, kam es zu den wüstesten Ausschreitungen auf universitärem Boden. Jüdische Studierende und politisch an- ders Gesinnte wurden mit Schlagstöcken und Gummiknüppeln angegriffen, fünf- zehn Personen schwer verletzt. Wie bis dahin üblich wurde der Polizei der Zutritt auf Rainer Amstädter, Der Alpinismus. Kultur, Organisation, Politik, Wien 1996. 0 Pauley, Eine Geschichte des österreichischen Antisemitismus. S. 164, schreibt von „Apartheidsideen“. Vgl. Robert Kriechbaumer (Hg.), Der Geschmack der Vergänglichkeit. Jüdische Sommerfrische in Salzburg, Wien, Köln, Weimar 2002. Pauley, Eine Geschichte des österreichischen Antisemitismus. S. 140 f, S. 169.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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