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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Page - 66 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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Murray G. Hall (1923), geben uns heute Einblick in das Wien der ersten Hälfte der Zwanzigerjahre. Im Jahre 1922 veröffentlichte Bettauer gleich fünf Romane, darunter die „Sozial- utopie“ bzw. den „Zukunftsroman“ Die Stadt ohne Juden, der den Untertitel „Ein Roman von übermorgen“ trägt. Es war sein erfolgreichstes und – wie schon ange- deutet – zugleich kontroversiellstes Werk. Die Handlung ist sehr einfach gestrickt und nacherzählt : Das Land steht vor dem wirtschaftlichen Ruin. Schuld daran sind die Juden. Das Parlament in Wien beschließt die Ausweisung sämtlicher Juden aus Österreich. Doch ohne sie „Verdorft“ Wien in jeder Hinsicht, die christlichen Wirt- schaftstreibenden erweisen sich als unfähig, selbst die christlichen Liebhaber, wie Bet- tauer ironisch vermerkt, sind Versager. Durch eine List bei der Abstimmung wird das Judenausweisungsgesetz im Parlament wieder rückgängig gemacht : die Juden werden zurückgebeten, Wien wird wieder Wien. Bei einer Massenversammlung am Rathaus- platz begrüßt Bürgermeister Karl Maria Laberl den ersten, der „aus dem Exil nach Wien zurückkehrt“, mit den Worten : „Mein lieber Jude ! –“ Wenn man Bettauers eigene Erläuterungen zum Roman mit den Folgen vergleicht, kann man wohl vermuten, dass er letztere sehr unterschätzt hat. Hier ist das Ad- jektiv „kinematographisch“ sehr bezeichnend, denn Bettauers für den Tageskonsum geschriebene Romane dienten oft als Filmvorlage. Man könnte meinen, er hätte eine Verfilmung des Stoffes im Hinterkopf gehabt, ohne sich der Brisanz bewusst zu sein. Das Wort „kinematographisch“ könnte auch in Richtung „Filmtreatment“ deuten, womit auch die sonstigen literarischen Schwächen einigermaßen zugedeckt würden. Der heutige Leser, der eine streng durchdachte Vorwegnahme der „Endlösung“ er- wartet, wird enttäuscht sein. Auch der Kinogeher. Der Reiz des Textes und des Sujets bleibt aber für uns heute ungeschmälert. Bettauers Botschaft des friedlichen Zusammenlebens zwischen Christen und Juden mag ganz ehrlich gewesen sein, aber eine zweite Botschaft, die man aus dem Roman herauslesen kann, war gewiss – milde formuliert – nicht jedermanns Sache : Ohne die Juden würde alles zugrunde gehen : die Wirtschaft, die Theater, die Zeitungen, die Mode usw. usf. Die Zeichnung von Christen und Juden wurde auf beiden Seiten als Provokation empfunden. Aus diesem leichtfertig geschriebenen „Tendenzroman“, der das „Thema des Tages“ aufgriff, sollte ein „Tendenzfilm“ werden. Von den vielen Romanen Bettauers wurden in den Zwanzigerjahren nach meiner Berechnung neun verfilmt. Die Dreharbeiten zum Film Die staDt ohne JuDen (Abb. 2) begannen 1923 in Wien und wurden 1924 zu Ende geführt. Ida Jenbach und der Regisseur Karl-Hans Breslauer haben das Drehbuch „nach dem Roman“ von Bettauer geschrieben. Wir wissen, dass der Schriftsteller an der Entstehung des Films großen Anteil nahm. Die Romanhandlung wurde allerdings, offenbar im Einverneh- men mit dem Autor, „adaptiert“, und zwar aus Rücksicht auf die politische Brisanz
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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