Page - 70 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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0 Murray G. Hall
noch lieferbar ist. Das Archiv des New Yorker Verlags – Charles Bloch – hätte hier
Aufschluss geben können. Hätte. Nur : Als ich vor vielen Jahren mit dem Verlag Kon-
takt aufnahm, musste ich erfahren, dass die Firma kurze Zeit vorher übersiedelt war
und dabei auch das Material zu Hugo Bettauer entsorgt worden war. Ein letztes Mal
ist vom Film Die Stadt ohne Juden im Jahre 1933 die Rede, als ein Theater in Amster-
dam den Streifen, wie üblich mit Musik eine Woche lang, drei Mal am Tag vorführte.
Die zeitliche Nähe zu den Vorgängen in Nazi-Deutschland war kein Zufall. Danach
verlor sich die Spur des Films.
Das Stichwort „Amsterdam“ bzw. „Die Niederlande“ führt zum letzten Punkt,
nämlich zur Überlieferung des Films. Bei meiner Suche in der zweiten Hälfte der
Siebzigerjahre nach vorhandenen Kopien von Bettauer-Romanverfilmungen ist es mir
gelungen, ein paar Fragmente bzw. Kopien von einzelnen Filmen zu dokumentieren.
Nicht aber Die staDt ohne JuDen : Bis 1991 blieb der Film – Fragment, Torso oder
was auch immer – verschollen. Dann wurde er im Niederländischen Filmmuseum
entdeckt. Mit Hilfe österreichischer Stellen wurde er restauriert, im Oktober 1991
im Österreichischen Filmmuseum in Laxenburg zum ersten Mal wieder öffentlich ge-
zeigt und im Dezember desselben Jahres im österreichischen Fernsehen ausgestrahlt.
Im Jahr 2000 gab das Filmarchiv Austria eine Videokassette und ein umfangreiches
Begleitbuch zur rekonstruierten Fassung des Films Die staDt ohne JuDen her-
aus. 9 Der Film dauert circa 80 Minuten, ist aber nicht das Original, das gut ein Drit-
tel länger war. In Zahlen ausgedrückt : Die 1924 in Wien zensurierte Fassung hatte
eine Länge von ca. 2.400 Metern. Die Fassung, die 1926 in Berlin vorgeführt wurde,
war bereits auf 2.040 Meter geschrumpft, und die Kopie, die 1991 in Amsterdam
entdeckt wurde, hatte eine Länge von 1.635 Metern. Also, wie gesagt : Wir haben es
mit einem Verlust von ca. einem Drittel zu tun. Man kann das vielleicht teilweise so
erklären, dass die Zensur immer wieder Teile herausgeschnitten hat. Dieser Verlust
hat für uns heute eine pragmatische Folge : Manche Übergänge in der Filmfassung
erscheinen uns abrupt und von der Handlung her nicht motiviert zu sein. Trotz des
Charakters eines „Torsos“ und trotz der sonstigen Schwächen des Films hinterlässt die
Thematisierung des Antisemitismus, die hier zur vergleichsweise „humanen“ Auswei-
sung der Juden führte, nach all dem, was wir über die Judenverfolgung im „Dritten
Reich“ wissen, den Eindruck einer „prophetischen Vision“.
Die staDt ohne JuDen, Österreich 1924. Regie : Hans Karl Breslauer, hg. v. Guntram Geser und
Armin Loacker, Wien 2000.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519