Page - 78 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Gabriele Anderl
Die zweite Periode der „Fünften Alija“, von 1937 bis 1939, unterschied sich aller-
dings grundlegend von der ersten. Die verstärkte jüdische Einwanderung führte in
Palästina zu Widerständen seitens der arabischen Bevölkerung. Es kam zu blutigen
Unruhen und einem arabischen Generalstreik, worauf die britische Mandatsbehörde
mit einer Eindämmung der jüdischen Immigration reagierte. Nachdem der von der
sogenannten „Peel-Kommission“ vorgeschlagene Plan zur Teilung des Landes geschei-
tert war und auch die Vorschläge einer weiteren Kommission 1938 keinen Ausweg
eröffnet hatten, reduzierten die Briten mit dem „MacDonald-Weißbuch“ vom 17.
Mai 1939 die jüdische Einwanderung auf ein Minimum und untersagten sie nach
Kriegsausbruch nahezu vollständig.
Bereits in der ersten Hälfte der Zwanzigerjahre war in Palästina die „Hitachduth
Olej Austria“ (HOA) als Hilfsorganisation der österreichischen Einwanderer ent-
standen. Der erste Präsident dieser Organisation, Ingenieur Maximilian Steinherz,
schrieb 1938 im Rückblick über deren Gründung : „[Es] waren […] nicht die reichen
Juden, die kamen, sondern die Ärmsten der Armen. Das Elend dieser Menschen […]
war unbeschreiblich und es galt nun, diesen Olim [Einwanderern] rasche und konst-
ruktive Hilfe zu bringen. Es war keine leichte Aufgabe.“
Die „Hitachduth Olej Austria“ war die erste Hitachduth dieser Art – nach ihrem
Vorbild wurden später ähnliche Organisationen für die Einwanderer aus Polen, Ru-
mänien, Litauen und anderen Ländern gegründet. Da es bis 1927 kein österreichi-
sches Konsulat in Palästina gab, musste die „Hitachduth“ auch fast alle Konsulats-
geschäfte erledigen sowie „Tagtäglich für die eingewanderten österr. Juden bei den
verschiedensten Ämtern […] intervenieren“.
Hauptursache für die Auswanderung von Jüdinnen und Juden aus Österreich nach
Palästina sei schon in dieser Periode der erstarkende Antisemitismus in ihrer Heimat
gewesen.
Die zionistische Parteienlandschaft im Österreich
der Zwischenkriegszeit
Die zionistische Bewegung in Österreich war vor 1938 durch eine starke interne Zer-
splitterung gekennzeichnet. Nach Angaben von Herbert Rosenkranz existierten zur
Zit. bei Adunka, Exil in der Heimat, S. 18.
Ebd.
Siehe zu diesem Thema ausführlicher : Anderl, Emigration und Vertreibung, S. 167 ff., sowie Jens Budi-
schowsky, Assimilation, Zionismus und Orthodoxie in Österreich 1918–1938. Jüdisch-politische Organisa-
tionen in der Ersten Republik, unveröffentlichte Diss., Wien 1990.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519