Page - 109 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Image of the Page - 109 -
Text of the Page - 109 -
Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt 10
Zionistische Zeitungen
Die unmittelbare Nachkriegszeit brachte für die zionistischen Strömungen in Wien
viele Veränderungen, die sich letztendlich auch auf deren Pressewesen auswirkten.
Verwiesen sei hier nur auf die Gründung des „Jüdischen Nationalrates für Deutsch-
Österreich“ am 4. 11. 1918 und dessen Bemühungen um die Anerkennung der Juden
als eigene Nation in der Republik Österreich. 0 Der Wegfall zionistischer Zentren
und deren AnhängerInnen, wie z. B. Galizien, machte für die zionistischen Funktio-
näre und Funktionärinnen in Wien neue Strukturen und Presseprodukte erforderlich.
Mit der Übersiedlung der Welt nach Köln als Folge von Herzls Tod im Jahr 1904
war die Jüdische Zeitung das leitende Organ der Wiener Zionisten. Mit ihrem 14-
jährigen Erscheinen gehörte sie zu den langlebigsten zionistischen Zeitungen, die in
Wien herausgegeben wurden. Sie erschien im Großformat mit acht bis zwölf Seiten.
Zu den führenden Mitarbeitern der Jüdischen Zeitung zählten bekannte Zionisten
bzw. Jüdischnationale, wie z. B. Ludwig Bató, Nathan Birnbaum, Adolf Böhm, Fritz
Löhner-Beda, Julius Löwy, Robert Stricker und Robert Weltsch. Beiträge von Frauen
waren selten ; zu den Ausnahmen zählt der Artikel von Nanny Margulies-Auerbach
über Frauenarbeit in Palästina vom 20. 2. 1919. Dies änderte sich mit der Grün-
dung der Wiener Morgenzeitung, wo Anitta Müller-Cohen und Klara Mautner-Mann-
heim häufig Artikel schrieben.
Die Jüdische Zeitung scheiterte trotz ihres langen Erscheinungszeitraumes letztlich
an der Finanzierung, d. h. vor allem an der fehlenden Leserschicht. Hieran änderte
auch die Reorganisation des jüdischnational-zionistischen Zeitungswesens mit der
Gründung der „Jüdischen Zeitungs- und Verlagsgesellschaft m.b.H.“ am 30. 12. 1918
nichts. Diese Gesellschaft wurde mit der Absicht gegründet, jüdische Zeitungen,
0 Jüdische Nationalräte wurden auch in anderen Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie gegründet.
Zu den Zielen und zur Arbeit des Jüdischen Nationalrats für Deutsch-Österreich vgl. Hecht, Zwischen
Feminismus und Zionismus.
Zur Jüdischen Zeitung vgl. Dieter Hecht, „Die Jüdische Zeitung. Ein nationaljüdisches Organ“, in :
Eleonore Lappin, Michael Nagel (Hg.), Deutsch-jüdische Presse und jüdische Geschichte : Dokumente, Dar-
stellungen, Wechselbeziehungen, Bremen, erscheint voraussichtlich 2008 ???????.
Jüdische Zeitung, 20.2.1919, S. 3f.
Zur journalistischen Tätigkeit von Anitta Müller-Cohen bzw. Klara Mautner-Mannheim vgl. Dieter J.
Hecht, „Nischen und Chancen – Jüdische Journalistinnen in der österreichischen Tagespresse vor 1938“,
in : Medien&Zeit, 18/2 (2003), S. 31–39.
Im Wiener Stadt- und Landesarchiv befindet sich der Handelsgerichtsakt, die Gründung der Zeitungs-
gesellschaft betreffend. Ein seltenes und aufschlussreiches Dokument, anhand dessen sich Strukturen
und wirtschaftliche Entwicklungen im jüdischen Pressewesen Österreichs rekonstruieren lassen. WStLA,
Handelsgericht, Register C 36–30.
back to the
book Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519