Page - 132 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Image of the Page - 132 -
Text of the Page - 132 -
1 Evelyn Adunka
lers Adolf Abraham Schramek, zu verdanken. (Er starb 1915 im Alter von 71 Jahren,
nur zwei Jahre nach der feierlichen Einweihung des Tempels. Seine Enkelin, die Schau-
spielerin und Sängerin Esti Drucker, heiratete 1919 Martin Freud, den ältesten Sohn
Sigmund Freuds. Sie war zwar die Haupterbin ihres Großvaters, hatte aber keine guten
Erinnerungen an ihn, und das Judentum bedeutete ihr nichts mehr, wie ihre Enkelin
Sophie Freud überlieferte.)
Ein laut den Beschreibungen besonderes architektonisches Juwel, die wohl präch-
tigste und kostbarste Synagoge in Wien, war der von Hugo von Wiedenfeld erbaute,
1887 eingeweihte achteckige Tempel der türkisch-israelitischen (sephardischen) Ge-
meinde in der Zirkusgasse ebenfalls im zweiten Wiener Bezirk. Sie wurde nach dem
Vorbild der Alhambra in Spanien gebaut, war in rein maurischem Stil gehalten und
mit Marmor, Gold und Samt ausgestattet.
1929 wurde in der Eitelberggasse in Hietzing der letzte Tempel in Wien vor der
Shoah eingeweiht. Der kubische, verzierte Bau mit insgesamt 130 Sitzen und zwei
Frauengalerien im hinteren Gebäudeteil war der einzige völlig frei stehende Synago-
genbau Wiens und unterschied sich durch seine charakteristische Modernität und Ju-
gendstilarchitektur von allen anderen Synagogen der Stadt. Dem Bau war ein inter-
nationaler Architekturwettbewerb für jüdische Architekten unter der Leitung des
Jugendstilarchitekten Josef Hoffmann vorangegangen, an dem sich auch Richard Neu-
tra beteiligte. Gewonnen wurde der Wettbewerb von Arthur Grünberger, einem aus
Mähren stammenden Architekten, der 1923 nach Kalifornien ausgewandert war, wo
er 1935 starb.
Unter den großen Synagogen waren anfangs nur zwei (der Stadttempel und der
Leopoldstädter Tempel), später sechs (dazu kamen die Tempel in Währing, Ottakring,
Fünfhaus und Floridsdorf) Gemeindetempel, die direkt von der ikg erhalten wurden.
Die anderen Tempel waren Vereinstempel, die von Tempelvereinen erbaut und erhalten
und von der ikg nur subventioniert wurden.
Nur die Rabbiner der Tempel der ikg waren Angestellte der ikg. Die Rabbiner der
Vereinstempel waren materiell weit schlechter gestellt. Während der gesamten Zwi-
schenkriegszeit forderten die Vereinsrabbiner daher wiederholt und vergeblich die ma-
terielle Gleichstellung mit den Gemeinderabbinern. Einige Vereinsrabbiner erhielten
mit der Zeit zwar den Titel eines Gemeinderabbiners und einige wenige Verbesserun-
gen, jedoch nur, damit auch sie die standesamtlichen Funktionen erfüllen konnten,
und es gab weiterhin zwei Kategorien von Rabbinern. Noch 1933 finden sich Klagen
über die Not der Tempelvereine und die Forderung, die Vereinstempel den Gemeinde-
tempeln gleichzustellen.
Die Vereinstempel wurden autonomer geführt und in manchen herrschten daher
auch liberalere religiöse Tendenzen oder Ansichten als in den Tempeln der ikg. Nur in
back to the
book Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519