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Tempel, Bethäuser und Rabbiner 1
den Vereinstempeln waren zum Beispiel geschlechtlich gemischte Chöre oder Chöre
mit christlichen Sängern und Sängerinnen denkbar oder zeitweise üblich, wie etwa im
Schmalzhoftempel.
In vier Vereinstempeln (in der Humboldtgasse, Schmalzhofgasse, Müllnergasse und
Dollinergasse) in den Bezirken Favoriten, Mariahilf, Alsergrund und Döbling und im
türkischen Tempel wurden Orgeln eingebaut. Aufgrund der schlechten Quellenlage
kann jedoch leider nicht gesagt werden, zu welchen Anlässen oder zu welchen Zeiträu-
men – zum Beispiel am Freitagabend, was einen klaren Verstoß gegen die Orthodoxie
bedeutete – diese gespielt wurden. Nur für den Müllnertempel ist bezeugt, dass die
Orgel noch in den Dreißigerjahren auch am Freitagabend gespielt wurde.
Die Wiener Synagogen wurden von bedeutenden Architekten ihrer Zeit erbaut : Jo-
sef Kornhäusel, Ludwig von Förster, Jakob Gartner, Jakob Modern, Wilhelm Stiassny,
Carl König, Ignaz Reiser, Andreas Streit und Ludwig von Wiedenfeld. Reiser, Fleischer
und Modern waren Mitglieder der ikg ; Stiassny war auch Vorstandsmitglied der ikg
und Wiener Gemeinderat. Reiser war ein Schüler von Stiassny und König. Streit war
ebenfalls Gemeinderat.
Max Fleischer war ein Schüler Friedrich von Schmidts, dem Erbauer des Wiener
Rathauses ; er baute die Synagogen in der Schmalzhof-, Müllner- und Neudeggergasse
in den Bezirken Mariahilf, Alsergrund und Josefstadt. Seine neugotischen, mit Türmen
versehenen Synagogen betonten die ersehnte jüdische Angleichung an die nichtjüdi-
sche Umwelt. Förster, Stiassny und Wiedenfeld bevorzugten dagegen einen orientali-
sierenden, maurischen Stil, König einen Renaissancestil.
Die 19 großen Tempel wurden in der Zeit von 1823 bis 1929 erbaut. Mit ihrer
monumentalen, eindrucksvollen Architektur, den teils kirchenähnlichen Türmen und
prächtigen Fassaden prägten sie das Wiener Stadtbild und standen einst – scheinbar
gleichberechtigt – neben den großen, noch heute sichtbaren und benutzten Kirchen.
In dreien dieser Tempel (in Hietzing, Döbling und in der Josefstadt) amtierte wäh-
rend der gesamten Zeit ihres Bestehens nur ein Rabbiner.
Die Oberrabbiner
Von 1825 bis 1938 (also 113 Jahre lang) hatte die ikg fünf Oberrabbiner, obwohl diese
aus rechtlichen Gründen oder aus Gründen ihres Selbstverständnisses nicht immer die-
sen Titel trugen. Ihre Tätigkeitsdauer in historischer Reihenfolge betrug :
Isak Noah Mannheimer : 39 Jahre
Adolf Jellinek : 29 Jahre
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519