Page - 134 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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1 Evelyn Adunka
Moritz Güdemann : 26 Jahre
Zwi Perez Chajes : 9 Jahre
David Feuchtwang : 4 Jahre
Israel Taglicht : 2 Jahre
David Feuchtwang war nur vier Jahre lang Oberrabbiner, da sich von 1927 bis 1932
der Vorstand der ikg aus internen Gründen nicht entschließen konnte, einen Nach-
folger für Oberrabbiner Chajes zu wählen.
Mannheimer war der religiöse Erneuerer der neuzeitlichen Wiener jüdischen Ge-
meinde. Ihm ist es zu verdanken, dass es in Wien im Gegensatz zur Entwicklung in
Ungarn und Teilen Deutschlands zu keiner Spaltung zwischen orthodoxen und libe-
ralen Gemeinden kam. Mannheimer wurde als Sohn eines Kantors in Kopenhagen
geboren, war Prediger und Katechet in Hamburg, Leipzig und Berlin und wurde von
Michael Lazar Biedermann nach Wien gebracht. Er war ein bedeutender Prediger und
übersetzte das traditionelle jüdische Gebetbuch, den Siddur, ins Deutsche, eine Über-
setzung, die bis heute verwendet wird. Mit dem von ihm kreierten, berühmten „Wie-
ner Ritus“ (Wiener Minhag) vertrat er eine Mittlerstellung zwischen der Orthodoxie
und der gemäßigten Reform. Im Wiener Ritus spielte die Predigt eine zentrale Rolle
und wurden die hebräische Gebetssprache und die Gebete für die Rückkehr nach Zion
beibehalten. 1848 wurde er zum Reichstagsabgeordneten gewählt ; in dieser Funktion
kämpfte er gegen die diskriminierenden Judengesetze. Im Gegensatz zu seinen Vor-
gängern bis 1938 war Mannheimer jedoch kein Gelehrter der Wissenschaft des Juden-
tums.
Adolf Jellinek galt als einer der größten, aber auch eitelsten jüdischen Prediger seiner
Zeit. Seine Weltanschauung war sowohl politisch als auch religiös liberal. Sein Bru-
der Hermann Jellinek war nicht religiös, nahm an der Revolution von 1848 teil und
wurde nach deren Niederschlagung hingerichtet. Adolf Jellinek stammte aus Mähren,
studierte in Prag und amtierte bis zu seinem Ruf nach Wien 1856 als Rabbiner in
Leipzig. Er stellte sich gegen den Zionismus ; als Wissenschaftler arbeitete er an einer
sechsbändigen Edition der Midraschim. Innerfamiliär konnte er sein Judentum nicht
vermitteln. Seine beiden Söhne ließen sich nach seinem Tod taufen. Sein Enkel, der
Heidelberger Rechtsprofessor Walter Jellinek, überlebte die ns-Zeit in einer Mischehe
und bemühte sich damals vergeblich um den Nachweis, nur zum Teil von rassejüdi-
scher Abstammung zu sein.
Moritz Güdemann stammte aus Hildesheim und war ein Absolvent des Jüdischen
Theologischen Seminars in Breslau. Er war im Gegensatz zu Jellinek streng orthodox,
wandte sich jedoch auch gegen die ungarische Trennungsorthodoxie. Obwohl er sich in
einer öffentlichen Kontroverse gegen den Zionismus aussprach, nachdem er im Haus
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519