Page - 137 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Tempel, Bethäuser und Rabbiner 1
Das Schicksal der zwölf Rabbiner, die 1938 in den großen Synagogen Wiens amtier-
ten, kann man in aller Kürze wie folgt zusammenfassen : Rabbiner Julius Max Bach floh
im Alter von 66 Jahren in die usa, wo er in Manhattan als Rabbiner arbeitete. Rabbi-
ner Bauer floh im Alter von 70 Jahren nach Großbritannien. Die Rabbiner Grunwald,
Kupfer, Rosenmann und Weiner flohen im Alter von 67, 56, 71 und 48 Jahren nach
Palästina. Die Rabbiner Drobinsky und Lewin starben 1939 in Österreich. Rabbiner
Arthur Zacharias Schwarz starb als Folge schwerer Folterungen durch die National-
sozialisten 1939 im Alter von 59 Jahren in Palästina. Rabbiner Hirsch Jakob Zimmels
wurde noch im Februar 1937 in sein Amt als Rabbiner des Turnertempels eingeführt.
1938 floh er nach London, wo er 1964 Rektor des orthodoxen Rabbinerseminars Jews
College wurde. Rabbiner Arnold Frankfurter wurde 1942 im Alter von 61 Jahren im
kZ Buchenwald ermordet.
Benjamin Murmelstein, ab 1931 Rabbiner des Kluckytempels und Lehrbeauftragter
der Israelitisch-Theologischen Lehranstalt, starb 1989 in Rom. Seine kontroversielle
Rolle als Stellvertreter des von den Nationalsozialisten 1938 eingesetzten Leiters der
ikg Josef Löwenherz und als dritter Judenältester des kZ Theresienstadt war und ist
Gegenstand zahlreicher Debatten, die auch sicherlich noch in Zukunft ihre Fortset-
zung finden werden.
Die Bethäuser und anderen Rabbiner
Neben den großen Synagogen gab es in Wien vor der Shoah weitere 76 Bethäuser
und kleinere Synagogen. Über sie ist mit Ausnahme ihrer Adressen und Namen relativ
wenig bekannt. Ihre Rolle und Bedeutung und das Wirken ihrer Rabbiner wären ein
allerdings nicht ganz leicht zu recherchierendes Forschungsdesiderat für die weitere
Geschichtsschreibung.
Vermutlich konnten die meisten ihrer Rabbiner nach 1938 flüchten – viele gingen
nach Palästina. Erwähnen möchte ich zwei Rabbiner, die ein Opfer der Shoah wurden.
R. Aron Jeruchem (der Altstädter Raw) starb 1942 im Ghetto von Sambor. Seine Re-
sponsen wurden 1956 von seinem Sohn in New York herausgegeben.
Rabbiner Shmuel Flesch, der Rabbiner der Stumperschul in der Stumpergasse in
Mariahilf, der im Ersten Weltkrieg Sarah Schenirer, die Gründerin der orthodoxen
Mädchenschulbewegung „Beth Jakob“, zu ihrem großen Werk inspiriert hatte, wurde
1944 im kZ Buchenwald ermordet.
Mit dem Zustrom der ostjüdischen Flüchtlinge während des Ersten Weltkriegs nach
Wien wurde die Stadt auch zu einem Zentrum des Chassidismus, da sich einige der
berühmtesten chassidischen Rebbes in Wien ansiedelten. Allerdings sind nicht alle ihre
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519