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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Page - 148 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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1 Peter Landesmann Bevor ein Bachur Rabbiner werden konnte, hatte er den Titel eines Chaver als Zeichen des Abschlusses seines Jeschiwa-Studiums zu erwerben. Er erhielt bei dieser Gelegenheit von einem angesehenen Rabbiner auch die Semicha. In dieser kultischen Handlung wird die Befähigung zum Ausüben des Rabbineramtes auf den Rabbiner- kandidaten übertragen. Um Missbräuche zu verhindern, gab es über die Frage, wer berechtigt sei, diese Titel zu verleihen und diese kultische Handlung zu vollziehen, immer wieder Auseinandersetzungen. Die Kritik an den Jeschiwot setzte schon lange vor der Aufklärung ein. Der be- rühmte Rabbi von Prag, Juda Low (ca. 1525–1609), und einige seiner Schüler ver- langten, dass das Studienprogramm der Jeschiwa mehr auf die Auffassungsgabe der heranwachsenden Knaben abgestimmt werden möge. Es sollten auch die religiösen Gebote und die religiöse Praxis, so wie sie schon in der Thora gelehrt wurden, in den Vordergrund des Unterrichts gestellt werden und dafür die umfangreichen Ra- schi-Kommentare in den Hintergrund treten. Das gründliche Erlernen der hebräi- schen Sprache und deren Grammatik, das Studium der Bibel sowie das Studium der Mischna, sollten Gegenstände des Unterrichts werden. Rabbi Low befürwortete eben- falls den Unterricht von Fächern der Naturwissenschaften. Die raffinierten Methoden des Pilpul wurden von ihm ebenso abgelehnt wie der Unterricht von halachischen Problemen, deren Bedeutung die heranwachsenden Knaben noch nicht begreifen konnten. Die Unterrichtsmethode des Pilpul und Chilluk wurde immer wieder kritisiert. Es wurde behauptet, dass die Knaben den Gegenstand dieser Auseinandersetzungen schon nach kurzer Zeit vergessen. Demgegenüber legten die Väter der Knaben auf den Pilpul großen Wert, weil ihre meistens frühreifen Söhne mit solchen Vorträgen die Anwesenden bei geselligen, religiös motivierten Festlichkeiten beeindrucken konn- ten. Der Großteil der Kritik richtete sich jedoch gegen den Chilluk, da die Ansicht vertreten wurde, dass bei dieser Methode die praktische Anwendbarkeit des Unter- richtes vollkommen aus den Augen verloren und eine „l’art pour l’art Haarspalterei“ betrieben werde. Man verglich den Chilluk mit dem Bestreben, ein Kamel durch ein Nadelöhr zu ziehen. Jeder bringe nur seine Argumente vor, ohne auf den anderen ein- zugehen, wobei die Aussage der Halacha kaum ergründet werde. Auch die Jeschiwot wurden zum Teil vom Zeitgeist erfasst. So war der Vilnaer Gaon, Elijah ben Solomon Zalman (1720–1797), der Erste, der in der von ihm ge- leiteten Jeschiwa fachkritische Untersuchungen einführte, und in der Jeschiwa von Volozhin (gegr. 1802) wurde mit der Tradition gebrochen, die Studenten bei Familien des Ortes verköstigen zu lassen. Dadurch erreichte sie eine größere Autonomie. Simon Szántó (1815–1882) führt in seinem Beitrag zum Jahrbuch der Israeliten 1860–1861 an, dass Kaiserin Maria Theresia 1754 eine Anordnung erließ, nach der
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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