Page - 152 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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1 Peter Landesmann
die liberal eingestellten Zuhörer sich be-
fremdet fühlten.)
Rektor Dr. Adolf Schwarz (1846–
1931) wies auf die dreifache Aufgabe die-
ser Anstalt hin, nämlich die Ausbildung
von „Rabbinern und Predigern“, von
Religionslehrern und die Pflege der Wis-
senschaft des Judentums. Er würdigte die
Verdienste Güdemanns bei der Errich-
tung dieser Lehranstalt, „der mit klarem
und weisem Blick es erkannt hat, welche
Gestalt die Anstalt haben müsse, um
ein modernes und doch zugleich auch
ein altjüdisches Lehrhaus zu werden“.
Die Rabbiner müssten auch „modern
gebildete Männer sein […] von denen
man sagen kann, sie wissen Alles was im
Talmud steht, nicht aber Alles, was sie
wissen, steht im Talmud […]. Das mo-
derne jüdische Lehrhaus muss den zerrissenen und zerklüfteten Gemeinden Israels die
schmerzlich vermisste Einheit und den längst ersehnten Frieden wiederbringen.“ 0
Wir sehen, dass auch Schwarz, wie fast alle Männer der jüdischen Wissenschaft,
hier dieser Chimäre einer durch die Wissenschaft erzielbaren Einheit des Judentums
seine Huldigung darbringt. Die hier Versammelten mögen ein Zeugnis dafür ablegen,
dass man „ein philosophisch denkender Mann sein könne, ohne von seinem Juden-
thume auch nur ein Tüttelchen preisgeben zu müssen“.
Bald nach der Eröffnung gründeten die Hörer der itla ihren theologischen Ver-
ein, der sich die Förderung der geistigen Interessen der Mitglieder durch homiletische
Übungen und Vorträge vornahm.
Schwarz beschrieb in einem Brief vom 15. Dezember 1893 seine ersten Eindrücke
über seine Lehrtätigkeit : „Ich habe 32 Hörer, tüchtige, ernste junge Männer, die ehr-
lich und redlich arbeiten […]. Meine Collegien machen mir freilich viel zu schaffen,
die Vorbereitung auf dieselben füllt meine ganze Zeit aus, aber gerade die Thatsache,
dass ich im Talmudium tüchtige Talmidim [Schüler] habe, bereitet mir die größte
Freude.“
0 Ebd., S. 818–822.
Leo Baeck Archiv, New York.
Abb. 1: Adolf Schwarz (1846–1931), Rektor der
ITLA
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519