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Historische Aufzeichnungen
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Page - 159 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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Martin Bubers Weg zum Chassidismus 1 Kulturfragen vernachlässigt hatte und entwickelte einen kulturell geprägten Zionis- mus, der zunächst vom Kampf für eine „Jüdische Renaissance“ geprägt war. Der neo- romantische Literat Buber, der sehnsüchtig auf die damals noch vorhandene, aber für ihn schon verlorene Welt des Ostjudentums blickte, suchte einen Weg zurück zum Judentum. Jedoch glaubte er, dass die jüdische Tradition, ganz gleich, ob liberal, konservativ oder orthodox, keine Zukunft mehr hätte. Sie müsste erneuert werden. Durch dieses Ziel der „jüdischen Renaissance“, das innere Judentum zu erneuern, blieb Buber mit dem Judentum verbunden, obwohl er dessen rituelle Formen nicht mehr praktizierte. Das Instrument dieser Erneuerung wurde für Buber seine spezifi- sche Form des Kulturzionismus. Dabei entdeckte Buber den Chassidismus als identi- tätsstiftendes Modell, das er aber von Anfang an aus der Halacha, der traditionellen Welt der Gebote und Verbote, herausschälte. Der Traum der jüdischen Renaissance, den Buber in sich selbst gespürt hatte, sollte ein Teil der allgemeinen Menschheits- Renaissance sein. In einer Zeit, in der ein Theodor Herzl die Vision eines Judenstaats hatte, entwickelte Buber einen u. a. von Friedrich Nietzsche und Micha Berdyczewski (1865–1921) stark geprägten Traum eines neuen Judentums. Es war der grandiose Versuch, den Buber später „Hebräischen Humanismus“ nannte. Buber wie auch Berdyczewski bedienten sich dabei zunächst der Lebensphiloso- phie Nietzsches, und bei beiden spielt der Chassidismus eine entscheidende Rolle. Verbunden sind auch beide Denker durch die Theorie, dass Mythen, Legenden und Volkserzählungen den Schlüssel zur wahren Geschichte enthalten würden. Diese wür- den Traditionen bewahren, die sozusagen vom rabbinischen „Establishment“, aber auch von der Haskala, unterdrückt worden wären. In seinem Sefer Chassidim (War- schau) von 1900 wird Berdyczewski zum „Entdecker des Chassidismus“ und sieht in ihm eine revolutionäre Bewegung gegen die erstarrte Orthodoxie. Später allerdings wird er im Gegensatz zu Buber den Chassidismus ablehnen. „Visionen gehören zur Jugend und meine Gedanken heute sind nicht wie damals. Um die Wahrheit zu sagen suchte ich im Chassidismus nicht die Schätze der Religion, sondern es überkam mich ein lyrischer Traum, und ich suchte für meine Gedankenwelt ein religiöses Gewand. Mein Geist war beflügelt und ich wollte das Weite durch Überwindung der Grenzen finden.“ 0 Seine frühe Chassidismus-Verklärung war eine Denkweise, die von Buber teilweise aufgenommen wurde. 1906 schrieb Buber an Hugo von Hofmannsthal : „Berdyczewskis hebräisches Büchlein enthält mehrere lyrische Skizzen, die die chassi- dischen Probleme sehr fein, aber mehr stimmungshaft als psychologisch behandeln ; das Beste ist die Einleitung, die das persönliche Verhältnis des Verfassers darstellt : wie er zurückgekehrt ist und sich in der Seele der Chassidim gefunden hat. Den Büchern 0 Micha Berdyzewski, Kol ma’amare, Tel Aviv 1952, S. 375.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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