Page - 161 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Image of the Page - 161 -
Text of the Page - 161 -
Martin Bubers Weg zum Chassidismus 1 1
Juden schließlich zur „Verwirklichung“
führen. Der Kultur-Zionismus wurde sein
Instrument und der Chassidismus der
Modellfall des tatsächlichen, aber „unter-
irdischen Judentums“. „Manchen Krank-
heitsstoff müssen wir entfernen, manches
Hemmnis niederzwingen, bevor wir reif
werden zur Wiedergeburt des Judenvol-
kes, welches nur ein Teilstrom ist in der
neuen Menschheits-Renaissance.“
Bubers Kulturzionismus führte trotz
der Kritik eines Herzl zur Einigung der
österreichischen Zionisten. Den größ-
ten Erfolg hatte Buber jedoch in Prag
beim „Verein jüdischer Hochschüler Bar
Kochba“. Dort entstanden in den Jahren
1909–1913 Bubers
Reden über das Judentum. „Alle tran-
ken wie verdürstet seine so inhaltsvollen
Worte […]. Einige Male hob er die Stimme und dann war es, als ginge ein elektroni-
scher Strom durch seine zionistischen Zuhörer. […] Überall war der große Erfolg und
der mächtige Eindruck zu spüren, den Buber erweckt hatte.“
In Bubers frühen zionistischen Schriften und Reden, wie z. B. „Das Judentum und
die Juden“ , kann man die Nähe zu Hugo von Hofmannsthals „Terzinen“ (1894), Ri-
chard Beer-Hofmanns „Schlaflied für Mirjam“ (1897) oder auch zu Gustav Landauers
„Skepsis und Mystik“ (1903) sehen. Bei diesen und anderen Autoren – vielmehr in der
Atmosphäre, in der sie lebten und wirkten – liegen die Hintergründe für Bubers Weg
zum Chassidismus, der ihn von Friedrich Nietzsche (1844–1900) über Meister Eck-
hart schließlich doch zum Ba’al Schem Tov und zum Chassidismus führte.
Buber war wenig an Geschichte und theologischen Lehren des Chassidismus inte-
ressiert. Ihn faszinierten dagegen von Anfang an vor allem die chassidischen Erzäh-
Martin Buber, „Jüdische Renaissance“ (1901), in : Buber, Die jüdische Bewegung, Bd. 1, Berlin 1920,
S. 15–16.
Hans Tramer, Kurt Löwenstein (Hg.), Robert Weltsch zum 70. Geburtstag, Tel Aviv 1961, S. 161–162.
Martin Buber, „Das Judentum und die Juden“ (1911), in : ders., Der Jude und sein Judentum, Gerlingen
1992, S. 12–13.
Zur Geschichte des Chassidismus : Karl-Erich Grözinger, Jüdisches Denken, Band 2 : Von der mittelalter-
lichen Kabbala zum Hasidismus, Frankfurt am Main, 2005.
Abb. 6: Martin Buber, im Alter von ca. 30 Jahren
back to the
book Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519