Page - 199 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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„Wenn Dich drückt der Judenschuh“ 1
den Riten des Judentums verankert und dem jüdischen Glauben verbunden gewesen.
Mathes (Mendel) Bloch, Erics Urgroßvater, war im frühen 19. Jahrhundert Rabbi
von Ckyne. In Wien jedoch waren die Zeisls eine von vielen akkulturierten jüdischen
Mittelstandsfamilien.
Franz Mittler äußerte hinsichtlich seiner Herkunft ironisch über sich selbst : „Er
ist am 14. August 1893 geboren, als viertes Kind einer damals noch wohlhabenden
Bourgeoisfamilie, deren finanzielle Lage sich dann allmählich und schließlich rapid
verschlechterte.“ Verwandt mit der von Mittler skizzierten jüdischen „Wohlhaben-
den Bourgeoisfamilie“ war Leonie Gombrich, die Mutter des exilierten und später
am Warburg Institute in London tätigen Kunsthistorikers Ernst Gombrich. Leonie
Gombrich war im Wiener Musikleben Gustav Mahler, Adolf Busch und Rudolf Ser-
kin nahe verbunden. Sie war eine der Assistentinnen des gesuchten Pianisten und Pä-
dagogen Theodor Leschetizky und unterrichtete den jungen Mittler am Klavier, bevor
dieser selbst in der Schülerschaft Leschetizkys stand. Kompositionsstudien brachten
Mittler zu den Brahms-Nachfolgern Richard Heuberger und Karl Prohaska. Franz
Mittler avancierte zum gesuchten Klavierbegleiter – so von Franz Steiner, Leo Sle-
zak oder Marie Gutheil-Schoder – und musizierte etwa auch mit dem Rosé Quar-
tett. Ab 1930 war der versierte Mittler – in Wien nicht zuletzt berühmt für seine
pointierten Schüttelreime – neben Otto Janowitz und Georg Knepler 9 einer der für
Franz Mittlers’s Œuvre, beginnend mit : „Da sich kein Musikhistoriker der Mühe unterzieht, meine
Werke zu studieren und darüber zu schreiben, diese aber eine Beachtung und Würdigung durchaus
verdienen, bleibt nichts übrig, als daß ich das Amt des Historikers und Kritikers selbst übernehme.“
Teilnachlass Franz Mittler (N1.26), Literaturhaus Wien, Exilbibliothek. Mittlers Vorfahren waren im
neunzehnten Jahrhundert von Pressburg nach Wien gezogen, um dort eine Handelsgesellschaft zu grün-
den.
Marie Gutheil-Schoder und das Rosé Quartett galten dem Wiener Musikbetrieb im beginnenden zwan-
zigsten Jahrhundert als bedeutende Interpreten, sie bestritten 1908 Arnold Schönbergs mit Gesang ver-
sehenes Zweites Streichquartett fis-Moll op. 10. Franz Mittler begleitete Marie Gutheil-Schoder etwa am
28. März 1922 im Konzerthaus zu eigenen Liedern und zu Liedern Schönbergs, Zemlinskys, Horwitz’,
Rétis und Mahlers. Programmarchiv Wiener Konzerthaus : http ://konzerthaus.at/archiv/datenbanksu-
che/.
Eduard Rosé (1859 Jassy – 1943 Theresienstadt), Violoncellist, gründete mit seinem Bruder Arnold
(1863 Jassy – 1946 London), Violinist, im Jahr 1882 das Rosé Quartett. Die Rosé-Brüder waren mit
Schwestern Gustav Mahlers verheiratet : Eduard mit Emma Mahler, Arnold mit Justine Mahler. Arnolds
Kinder, Sohn Alfred (1902 Wien – 1975 London) und Tochter Alma Maria (1906 Wien – 1944 Ausch-
witz), waren ebenfalls wichtige Persönlichkeiten des öffentlichen Musiklebens.
Georg Knepler (1906 Wien–2003 Berlin), Sohn des Musikverlegers und Operettenkomponisten und
-librettisten Paul Knepler, Neffe des Konzertorganisators Hugo Knepler, war von Ende 1928 bis März
1930 (und fallweise bis Juni 1931) Karl Kraus’ Begleiter. Vgl. dazu Georg Knepler, Karl Kraus liest Offen-
bach, Berlin 1984.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519