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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle ten Frau einlasse, sondern seine „Samenkontinenz“ hüte, bewahre die Zivilisation davor, von den AgentInnen der Verweiblichung überrannt zu werden. Freiheit sowohl im Geschlechtsleben als auch im Geldverkehr widerspricht der völkischen Verbundenheit mit der Scholle und beinhaltet eine Abstraktion, die der Antisemit nicht ertragen kann. So schrieb etwa Ludwig Langemann in seinem Aufsatz „Die Zusammenhänge zwischen Semitismus, Demokratismus, Sozialismus und Feminis- mus“ im Jahr 1919 : „Wo der jüdisch-demokratisch-feministische Mammongeist den nationalen Heldengeist erst völlig vernichtet hat, ist eine Wiedergeburt ausge- schlossen, da steht der Untergang vor der Tür.“ Den Materialismus als spezifisch weibliche und jüdische Schwäche zu interpretieren, entsprach in dieser Zeit gän- gigen Klischees und zog sich zuweilen quer durch die politischen Lager. Frauen- emanzipation als Ausgeburt des Materialismus, der die Frauen ihrer angestammten Mutterrolle entfremde, war eine weit verbreitete Einstellung. Dass die Juden für diese Entwicklung verantwortlich zeichnen würden, ist hingegen eine für den Anti- semitismus charakteristische Personalisierung allgemeiner gesellschaftlicher Verhält- nisse. So schrieb etwa Gottfried Feder, späterer Mitbegründer und Programmatiker der nsDaP : „Durch die Kräfte der sexuellen Demokratie hat der Jude uns die Frau gestohlen. Unsere Jugend muß sich erheben, um den Drachen zu töten, damit wir von Neuem die heiligste Sache der Welt erlangen können, die Frau als Jungfrau und Dienerin.“ In schematisch reduzierter Wahl der Motive bildender Kunst jener Zeit erscheinen in ewiger Wiederkehr die Judiths, Salomes und Dalilas ; Frauengestalten, in denen Antisemitismus und Antifeminismus verbunden werden konnten. Sie repräsentierten Bram Dijkstra, Das Böse ist eine Frau. Männliche Gewaltphantasien und die Angst vor der weiblichen Se- xualität, Reinbek bei Hamburg 1999, S. 374. Zitiert nach Annette Kuhn, „Der Antifeminismus als verborgene Theoriebasis des deutschen Faschis- mus. Feministische Gedanken zur nationalsozialistischen ,Biopolitik‘“, in : Leonore Siegele-Wenschke- witz, Gerda Stuchlik (Hg.), Frauen und Faschismus in Europa. Der faschistische Körper, Pfaffenweiler 1990, S. 39–50, S. 45. Shulamit Volkov, „Antisemitismus und Antifeminismus : Soziale Norm oder kultureller Code“, in : dies., Das jüdische Projekt der Moderne. Zehn Essays, München 2001, S. 62–81, S. 77. Zitiert nach Margarete Mitscherlich-Nielsen, „Überlegungen einer Psychoanalytikerin zum Hitlerreich. Über männliche und weibliche Werte damals und heute“, in : Leonore Siegele-Wenschkewitz, Gerda Stuchlik (Hg.), Frauen und Faschismus. Der faschistische Körper, Pfaffenweiler 1990, S. 23–28, S. 28. Sig- rid Weigel interpretiert das aus den Mythologien überlieferte Motiv des Drachens vor den Stadtmauern als Sinnbild für ungebändigte Natur, die auch in der weiblichen Sexualität gefürchtet wurde. Das Töten des Drachens versinnbildlicht insofern auch den Sieg über die unintegrierten und nicht verstandenen Aspekte der weiblichen Sexualität und die Festigung und (Re-)Etablierung der „domestizierten“ und entsexualisierten Aspekte von Weiblichkeit innerhalb der Männergesellschaft (cf. Sigrid Weigel, Topogra- phien der Geschlechter. Kulturgeschichtliche Studien zur Literatur, Reinbek bei Hamburg 1990, S. 175f.).
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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