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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Karin Stögner tauschen sie nicht lediglich ein gegen ihre sexuellen Reize, sondern nehmen die Waffe selbst in die Hand. War Judith in der Überlieferung des Alten Testaments noch ein Muster selbstaufopfernden Heldentums, wurde sie in der kapitalistischen Gesellschaft des Fin de Siècle zum Raubtier, das seine verschlingende sexuelle Lust und Energie aus dem abgeschlagenen Haupt ihres Opfers zieht. So stellt Hans Mayer fest, dass die Darstellungen der Judith „nicht Bewunderung für die weibliche Heroine, sondern Grauen als vor einem Monstrum“ evoziert. „Es sind dezidiert antiweibliche Bilder, gemalt – je nachdem und nach der Zeitenfolge – als Warnung ; als ungeheuerlicher Kontrast von Weiblichkeit und Unweiblichkeit ; schließlich als kokette Zusammen- führung von Lust und Tod, Sinnlichkeit und Bluttat.“ Darin erinnern die Judiths schwach an Sades Juliette ; jedoch bleiben sie insofern hinter ihr zurück, als Juliette noch eine Erkenntnis der bürgerlichen Gesellschaft selbst ausdrückte, „die Lust, Zivi- lisation mit ihren eigenen Waffen zu schlagen“ . Die Entlarvung des Status quo bei Juliette wandelte sich in den Judiths tendenziell zur Apologetik desselben. Mit „ethnographischer Sorgfalt und Gründlichkeit“, die auf die orientalistische Mode der Zeit zurückzuführen war, wurde auf den „semitischen Ursprung“ und die „rassische Besonderheit“ Salomes und Judiths verwiesen. Eine dafür bezeichnende Stelle zitiert Bram Dijkstra : Salome sei das Porträt eines „essentially Semitic Type of the antique period, with the sensuous and soulless beauty of the tigress rather than woman, bearing the charger which is to receive the head of John the Baptist, and the sword which is to decapitate him, as indifferently as if it were a dish of fruit“. Diese Aussage legt Zeugnis davon ab, dass die antisemitisch-misogynen Botschaften der Künstler in der Öffentlichkeit angekommen waren und wie tief umgekehrt die Künstler in ihrem Schaffen im zeitgenössischen Kontext von Misogynie und Antise- mitismus verankert waren, ja mit ihren Werken selbst als konstituierender Teil dieses Kontexts fungierten. Es fragt sich, ob nicht seitens der Maler und auch der Betrach- ter solcher Bilder ein geheimes Einverständnis mit dem Los der Männer Johannes und Holofernes bestanden haben mag. Enthaupten wurde von Freud bereits früh als ein Symbol der Kastration erkannt 9, sodass die Bilder Teil der Einstimmung in den prognostizierten zeitgenössischen Untergang der männlichen Sexualität und Identität sind. Die Frau mit der Waffe schlägt den einst souverän waffentragenden Mann mit seinen eigenen Waffen. Ebd., S. 35. Horkheimer, Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. 114. Zitiert nach Bram Dijkstra, Idols of Perversity. Fantasies of Feminine Evil in Fin de Siècle Culture, New York, Oxford 1986, S. 387. Vgl. Sigmund Freud, „Das Medusenhaupt“, in : Gesammelte Werke XII, Frankfurt am Main 1999, S. 47– 48.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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