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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Page - 262 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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Michaela Raggam-Blesch Umbrüche in der weiblichen Lebenswelt am Beginn des 0. Jahrhunderts Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts verdichteten sich die Ausbruchsversuche von Frauen aus traditionellen Rollenbildern. Die Neudefinition weiblicher Identität gegenüber den zugeschriebenen bürgerlichen Weiblichkeitsbildern in einer traditio- nell geprägten Gesellschaft verlief jedoch nicht ohne Ambivalenzen. In diesem Zu- sammenhang wurde das Korsett zur Metapher für die Situation bürgerlicher Frauen schlechthin, die durch gesellschaftliche Zwänge in ihrer natürlichen Entfaltung ein- geschränkt wurden. Mit dem Aufbruch zur Befreiung vom Korsett wurde somit auch ein symbolischer Schritt im Emanzipationsprozess gesetzt. Diese gesellschaftlichen Umbrüche wurden innerhalb der Literatur aufgegriffen, wobei vor allem auf Henrik Ibsen (1828–1906) verwiesen werden soll, dessen Werk Nora oder ein Puppenheim (1880) für internationales Aufsehen sorgte. Nora, die ihrem Mann und ihrer gesicher- ten bürgerlichen Existenz den Rücken kehrte, wurde zum Identifikationsmodell für die erste Generation frauenbewegter Aktivistinnen und übte einen starken Einfluss auf eine Reihe von Frauen aus. Bürgerliche Frauen begannen sich gegen die Fest- schreibung auf ihre Rolle in Haushalt und Familie zu wehren, die sie die Zeit bis zu ihrer Verheiratung in vorgeschriebener Untätigkeit verbringen ließ. Der Wunsch nach einer den Männern ebenbürtigen Ausbildung und sinnvollen Betätigung findet sich in einer Reihe von autobiografischen Zeugnissen. 9 Dementsprechend konzentrierte sich das Engagement der bürgerlichen Frauenbewegung in ihren Anfängen vor allem auch darauf, bürgerlich akzeptierte weibliche Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen so- wie Frauen den Zugang zu höheren Bildungsinstitutionen zu ermöglichen. Der Auf- bruch aus tradierten Rollenbildern wurde vor allem von der männlichen Umwelt als radikal erlebt. Misogyne Tendenzen können daher als Abwehrstrategien gelesen wer- den, die den status quo gegen emanzipatorische Bewegungen zu verteidigen suchten. Die Vehemenz, mit der die Frauenfrage um die Jahrhundertwende diskutiert wurde, wird an der Flut an antifeministischer Literatur ersichtlich, welche durch pseudo- wissenschaftliche Theorien untermauert wurde. Im Kontext des misogynen und anti- semitisch geprägten Klimas im Wien der Jahrhundertwende wurden Jüdinnen so- wohl durch ihr Geschlecht als auch durch ihre jüdische Herkunft Diskriminierungen ausgesetzt, wobei von Interesse ist, in welchen Fällen sich ihre geschlechtliche und wann sich ihre ethnische Herkunft zum bestimmenden Moment entwickelte. Der Siehe dazu u. a. die Lebenserinnerungen von Fanny Lewald (1811–1889), eine der ersten Vorkämpfe- rinnen der Frauenemanzipation, sowie den autobiografischen Nachlass der späteren Romanistin Elise Richter (1865–1943). Fanny Lewald, Meine Lebensgeschichte, hg. von Ulrike Helmer, Band 1, Frankfurt am Main 1988. Elise Richter, Summe des Lebens, hg. vom Verband der Akademikerinnen Österreichs, Wien 1997.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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