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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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„Being different where being different was definitely not good“ segesetze (Kashrut). Mit der Zeit legte der Vater jedoch die Gebetsriemen ab, und auch die Mutter gab die Einhaltung der Kashrut-Gesetze auf. Juana erinnert sich daran, dass ihre Eltern in späteren Jahren vorwiegend an den hohen Feiertagen die Synagoge besuchten. Martha Blend, die 1930 in Wien geboren wurde, beschreibt die religiösen Traditionen ihrer Familie wie folgt : „Auf die Religion meiner Eltern, die eine solch verhängnisvolle Rolle in meinem Leben spielen sollte, kann ich mit dieser zeitlichen Distanz nur aus ihrem Verhalten schließen […]. Sie waren beide im ortho- doxen jüdischen Glauben erzogen worden, hatten ihre religiösen Praktiken jedoch den Erfordernissen des modernen Lebens angepasst. Weniger übliche Gebräuche, die ich erst später kennen lernte, hatten sie schon lange aufgegeben. Sie hielten sich auch an keine strikten Essensvorschriften mehr. Meiner Mutter wäre es zwar nicht ein- gefallen, mit Schweinefleisch oder Speck zu kochen, aber Rindfleisch kaufte sie doch beim nicht-koscheren Fleischhauer, was ihr die Missbilligung von strenggläubigen Juden eingebracht hätte.“ Obwohl der Haushalt nicht mehr koscher geführt wurde, hielt man Schabbat und alle religiösen Feiertage ein. Gleichzeitig war für Martha die traditionelle jüdische Lebensweise in der Leopoldstadt, die von Frauen in Schejteln und kaftangewandteten Männern bestimmt wurde, eine fremde Welt. Auch Sonia Wachstein, die 1907 in Wien als Tochter des aus Galizien stammenden jüdischen Historikers Bernhard Wachstein geboren wurde, schildert in ihren Memoiren, wie sie durch das Eintreffen der väterlichen Verwandten während der ersten Kriegsjahre mit einer Welt konfrontiert wurde, die ihr bis dato unbekannt geblieben war. „When the Eastern Jews fled to Vienna in the aftermath of the war, some of them lived for a while in our district and organized a ,schul‘ for the high holidays. I was fascinated and moved and also frightened by the passionate atonement I witnessed as a young child when my father once took me with him on the high holidays to their schul. […]. I looked at my father standing there, tall, a little bent forward, a slim prayer shawl around his shoulder. I saw his clean-shaven cheeks, his little, well cared for goatee, holding the book close to his myopic eyes and reading silently. What a differ- ent world ! He looked more or less like other children’s fathers and that pleased me, though I was deeply impressed by the devotion of the newcomers. It was only much later that I thought back to these experiences and puzzled about my father’s origin, which was the same as that of these men.“ Juana Merino Kalfel, Interview der Austrian Heritage Collection, ahc 2308, New York 2002. Martha Blend, Ich kam als Kind. Erinnerungen, Wien 1998, S. 16–17. Ebd., S. 16f, S. 21, S. 24. Sonia Wachstein, Hagenberggasse 49. Memories of a Viennese Jewish Childhood, Memoir Collection am Leo Baeck Institute, me 1068, usa (um 1990), S. 16. Wachstein, Hagenberggasse 49, S. 10–11.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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