Page - 278 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Elisabeth Malleier
Gegenstand gehandelt werden. Wir bitten daher unsere liebenswürdigen Korrespon-
dentinnen, die uns in letzter Zeit viele Beweise ihrer auch vor längeren Aufsätzen
nicht zurückschreckenden Teilnahme gegeben haben, ihre oft so leserlichen Manu-
skripte erst wieder gegen Anfang Dezember nächsten Jahres einzusenden. Wir hoffen,
uns bis dahin von den Strapazen unseres ersten Frauenfeldzuges erholt zu haben.“
So Theodor Herzl, der als einer der Protagonisten der Wiener Moderne gilt, im Jahr
1895 in der Neuen Freien Presse zur Frauenbewegung. Wie viele spannende Artikel
von Feministinnen damals verworfen wurden, weil sie nicht ins Konzept der Herren
Redakteure passten, bleibt unbeantwortet. Doch während in der liberalen Neuen Freien
Presse trotz der Bemühungen der Redaktion, „abschließende Worte“ zum Thema zu
finden, selten, aber immerhin sowohl österreichische als auch internationale Frauen-
rechtlerinnen zu Wort kamen, fuhr die deutsch-nationale und konservativ-klerikale
Presse mit härteren Geschützen auf. Feministische Organisationen wie der „Allgemeine
österreichische Frauenverein“ (aöFV) waren von dieser Seite schon bald nach ihrer
Gründung 1893 mit rabiaten antifeministischen und antisemitischen Angriffen kon-
frontiert. Was nach antisemitischer Argumentation die sogenannten „Judenliberalen“,
die „Verjudeten“ SozialdemokratInnen und die „Frauen-Emancipation“ verband, war
die Anwesenheit von Juden und Jüdinnen in diesen Organisationen. Ein sich ständig
wiederholender Vorwurf war jener der Bedrohung der „christlichen Ordnung“ und
insbesondere der sogenannten „christlichen Familie“. Forderungen wie die Öffnung
der Berufe oder politische Rechte für Frauen waren ein rotes Tuch für jene politischen
Gruppierungen, deren antisemitischer „kultureller Code“ – um mit Shulamit Volkov
zu sprechen – durch einen ausgeprägten Antifeminismus ergänzt wurde. So war bei-
spielsweise im Deutschen Volksblatt, einer der vier auflagenstärksten Zeitungen in Wien,
im Zusammenhang mit der Frage, ob Frauen fähig seien, Mädchenschulen zu leiten,
die Rede von Lehrerinnen, „Welche in Frauen-Clubs mit gemüthloser Koketterie die
Irrlehren der nur vom Judenthume gepriesenen Frauenemancipation verbreiten“ und
weiter „die von solchen, mit sinnlosen Emancipationstheorien begabten Lehrerinnen
geleitete und gebildete künftige deutsche Frau wird dann nicht mehr die Repräsentan-
tin der edlen Sitte, der reinen Liebe und der zierlichen Bescheidenheit sein“ .
Theodor Herzl, „Die Frauenfrage“, in : Theodor Herzl, Feuilletons, Bd. 2, Wien, Leipzig 1904, S. 17–22,
S. 17.
Shulamit Volkov, „Antisemitismus und Antifeminismus : Soziale Norm oder kultureller Code“, in : Shu-
lamit Volkov, Das jüdische Projekt der Moderne, München 2001, S. 62–81.
O. A. „Anbruch einer neuen Blüthezeit der deutschen Frauen ?“, in : Deutsches Volksblatt, Wien, 5. März
1895, S. 1f.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519