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Die Zukunft und das Ende einer Illusion
Untersuchung stattfand, illustriert ein Auszug aus einem Brief Freuds an Abraham :
„[…] Bei einer Gelegenheit, da ich als Sachverständiger vor einer Kommission zur Er-
hebung militärischer Pflichtverletzungen über eine Anklage gegen Wagner zu fungie-
ren hatte, konnte ich wieder die ganze verlogene Gehäßigkeit der hiesigen Psychiater
konstatieren. Aber natürlich wagten sie sich erst hervor, als ich nicht mehr dabei war ;
in meiner Gegenwart benehmen sie sich scheißfreundlich, wie man in der Sprache der
erogenen Zonen zu sagen pflegt […].“
In Freuds Expertise, die breiten Widerhall in der Öffentlichkeit fand, sagte er
(1920) : „Aber ebenso ist es richtig, dass wir ein Volksheer hatten, dass der Mann zum
Kriegsdienst gezwungen war, dass er nicht gefragt wurde, ob er gerne in den Krieg
geht, und man musste daher darauf gefasst sein, dass die Leute flüchten wollten, und
den Ärzten ist etwas wie die Rolle von Maschinengewehren hinter der Front zugefal-
len, die Rolle die Flüchtigen zurück zu treiben […] Für den ärztlichen Stand war es
eigentlich eine Aufgabe, die sich nicht recht damit verträgt.“
Nach den ersten Jahren der psychoanalytischen Bewegung, die den Abfall zweier
Strömungen mit sich brachte – C. G. Jung und Alfred Adler begründeten eigene
Schulen, die von Freuds Theorie entfernt waren –, kam es 1924 zu einem neuerlichen
Bruch : Otto Rank entfernte sich mit seinem Werk Das Trauma der Geburt von der
psychoanalytischen Theorie und trennte sich 1928 endgültig von Freud.
Die Psychoanalytiker im Wien der Zwischenkriegszeit waren Exponenten einer
Subkultur, die in vielen Bereichen ein neues Verständnis für psychosoziale Fragen
entwickelte. Sie engagierten sich in Bereichen, die vorher der Kirche oder karitativen
Organisationen vorbehalten waren. Besonders im Bereich der Pädagogik gab es er-
staunliche Aktivitäten. Angefangen bei August Aichhorn, der für das Wiener Jugend-
amt zuerst in einem Heim in Oberhollabrunn tätig war und nach dessen Schließung
die Erziehungsberatung des Jugendamtes leitete, über Siegfried Bernfeld, der gemein-
sam mit Willi Hoffer das jüdische „Kinderheim Baumgarten“ leitete, bis zur „freien
Schule“ in Hietzing, die von Eva Rosenfeld, Dorothy Burlingham und Anna Freud
gegründet wurde. Die „freie Schule“ bestand von 1927 bis 1931. An dieser Schule
arbeiteten damals Peter Blos oder Erik Homburger Erikson, die später sehr bekannte
Kinderpsychoanalytiker in den usa wurden und Generationen von Kinderanalyti-
kern beeinflussten. All diese Menschen waren Teil einer Subkultur mit allen dazuge-
hörenden Verzweigungen und Berührungspunkten. Es gibt die Verbindung zwischen
Freud – Abraham, Briefe 1907–1926, S. 296.
K. R. Eissler, Freud und Wagner-Jauregg vor der Kommission zur Erhebung militärischer Pflichtver-
letzung, Wien 1979, S. 53.
E. Mühlleitner, E., Biographisches Lexikon der Psychoanalyse, Tübingen 1992.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519