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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Page - 380 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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0 Bettina Riedmann tun mögen, ich werde mich niemals von ihnen beschimpft fühlen und weise ausdrücklich die Gemeinschaft mit allen denjenigen zurück, die an dieser Empfindung leiden. Beschimpft ist derjenige, der etwas Schimpfliches begeht, nicht der, der Schimpfliches erleidet. Beschimpft sind die Wucherer, weil sie wuchern, nicht weil man sie bestraft. Be- schimpft ist ein Dieb, der Gemeindegelder unterschlägt oder seinem Schlafkameraden Geld stiehlt, auch wenn er der Gerechtigkeit entwischt. Der Verleumder ist beschimpft, nicht der Verleumdete. So wahr ist es, daß man nur sich selbst beschimpfen kann und niemals einen anderen. Wär’ es anders, so hätten die Verleumder recht und jeder Schlechte könnte jeden Guten moralisch ruinieren, wann es ihm beliebte. Auf diesen Irrtum bauen die Antisemiten größtenteils ihren Vernichtungskrieg gegen die Juden. Aus den oben angeführten Gründen müßte er eigentlich vergeblich sein, wenn die Juden wirklich so vernünftig wären, wie man manchmal behauptet. Manchem haben die Antisemiten schon geschadet und vielen werden sie schaden. Nicht nur an Gut, sondern auch an Gesundheit und Leben. Schmach leiden wird nur der, der die Schmach der anderen als seine eigene empfindet.‘“ Das verzweifelte Bemühen Schnitzlers, sich die ständigen antisemitischen Anfein- dungen vom Leibe zu halten, münden hier in den Versuch, sich einen aus rationalen Argumenten zusammengesetzten Schutzschild zu konstruieren. Dass dieses Konst- rukt einer seelischen Unverwundbarkeit aber permanent in sich zusammenzubrechen drohte, dessen war er sich selbst bewusst. Als ihm 1903 von seinem deutschen Verle- ger telegrafiert wurde, dass er in der Deutschen Zeitung scharf angegriffen worden sei, schrieb er an seine spätere Frau Olga : „Sosehr ich weiß, daß die Deutsche Zeitg. das gemeinste Blatt der Welt ist und alle diese Sachen im wesentlichen wurst sind ; – ich befinde mich trotzdem in einem ununterbrochnen Zustand der Irritation, – ähnlich, ich kanns gar nicht anders sagen, als wenn meine ganze Haut wund wäre.“ Während des Ersten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit kulmi- nierten der äußere Druck und auch das innere Bedürfnis, die eigene Zugehörigkeit zu definieren und Loyalitätsversprechungen abzugeben. Schnitzler versuchte damals, das Verkannt-Werden als Gemeinsamkeit in den Mittelpunkt zu stellen : „‚Echt oesterrei- chisch‘ sagen sie draußen (trotz aller Bundestreue -) wenn sie etwas mißbilligen (bei uns übrigens auch -) – sagt aber einer hier ‚echt deutsch‘ – wenn von draußen irgend was trampeliges oder plattes oder schnoddriges hereingeliefert wird ? In Oesterreich haben wir uns die Bezeichnung ‚Echt deutsch‘ für alles edle, starke, schöne aufgespart – (wie die Deutschen selbst) – wir verbinden die Worte ‚echt‘ und ‚deutsch‘ – nur zum Zweck des Preisens miteinander ; – und drüben gerade das Gegentheil. Es geht uns Schnitzler, Briefe Bd. I : 1875–1912, 10.4.1903, S. 461 (an Olga Gussmann).
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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