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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Page - 406 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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0 Klaus Hödl men mit dem Christkind. Es ist anzunehmen, dass es in einem jüdischen oder einem christlichen Kontext entweder klar abgelehnt oder als Teil des religiösen Glaubensre- pertoires akzeptiert worden wäre. Nur in der liminalen Sphäre verursacht der Auftritt des Christkindes ambigue Reaktionen. Einerseits erregt es Anstoß, und andererseits wird seine Präsenz hervorgehoben, indem ihm die Rolle übertragen wird, den Ein- zug der Verkleideten anzuführen. Die Ambivalenz gegenüber dem Christkind weist darauf hin, dass es keine klaren Richtlinien für den Umgang mit Maskierungen gibt, die irritierend wirken. Sie müssen erst im Laufe der Veranstaltung ausgehandelt wer- den. Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, lautet, was mit der Mas- kierung als Christkind ausgedrückt werden sollte. Eine genaue Antwort wird sich darauf nicht finden lassen. Das Verkleidungsmotiv ist nämlich in keinen Quellen festgehalten worden. Dessen Erforschung muss sich ausschließlich auf die Analyse der beschriebenen Praktiken beschränken und kann daher der ursprünglichen Intention nur nahe kommen. Die Untersuchung wird im Folgenden mithilfe des Mimesis/Mi- mikry-Begriffs vorgenommen. Sie zeigt auch, dass die Maskierung mit dem Begriff der Akkulturation nicht erfasst werden kann. Mimesis/Mimikry Mimesis oder Mimikry bezeichnen komplexe Vorgänge der Nachahmung, Aneig- nung und Repräsentation. In den vorliegenden Ausführungen werden sie vor allem im Sinne von Homi K. Bhabha und Max Horkheimer sowie Theodor Adorno ver- wendet. Bhabha beschreibt sein Verständnis von Mimikry unter Bezugnahme auf einen kolonialistischen Kontext. Für ihn können mit dem Begriff die vielfältigen Be- ziehungen zwischen Kolonisatoren und indigener Bevölkerung jenseits eines binären Oppositionsverhältnisses beschrieben werden. Er versteht unter Mimikry „das Begeh- ren nach einem reformierten, erkennbaren Anderen als dem Subjekt einer Differenz, das fast, aber doch nicht ganz dasselbe ist“. Der Kolonisierte soll „angeeignet“ wer- den, sich dabei aber nicht so weit wandeln, dass die Differenz zum Kolonisator aufge- hoben wird. Der Akt der sogenannten Aneignung macht einerseits Machtverhältnisse sichtbar, gleichzeitig schwächt er sie und höhlt sie aus, indem die „Leichtigkeit des Andersseins“, das als Legitimation für Herrschaft dient, vorgeführt wird. 9 Homi K. Bhabha, Die Verortung der Kultur, Tübingen 2000, S. 126. Maria Do Mar Castro Varela, Nikita Dhawan, Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung, Bielefeld 2005, S. 89–90.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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