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Historische Aufzeichnungen
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Page - 408 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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0 Klaus Hödl Zur Deutung der Verkleidung Für die Interpretation der Verkleidung als Christkind sind beide Aspekte, sowohl die Hinterfragung des Imitierten als auch die Schärfung der Unterscheidung, zentral. Für die Skizzierung des ersten Punktes wird der Umstand berücksichtigt, dass die jüdi- sche Frau, die sich das Christkindkostüm überzieht, nicht nur als Angehörige einer Gruppe handelt, die über Jahrhunderte der Judenfeindschaft ausgesetzt war, sondern auch zu einem der Bevölkerungsteile gehört, die in der Habsburgermonarchie kolo- nialistischen Einflüssen ausgesetzt waren. Als zentrales Medium der Reform und Regulierung der Juden, in der sich auch eine Feindseligkeit gegen sie manifestierte, galt lange Zeit die Konversion. Juden sollten durch einen Glaubensübertritt Christen „gleich“ werden. Mit der Verkleidung als Christkind scheint die Forderung nach Annahme des Christentums symbolhaft erfüllt zu werden. Die Leichtigkeit, mit der der Akt vollzo- gen werden kann, ohne sich auch eine „christliche Identität“ aneignen zu müssen, lässt allerdings Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines bloß ritualisierten Glaubensübertrittes, von dem das Individuum selbst nicht überzeugt ist, aufkommen. Die Maskierung macht somit deutlich, dass Christentum äußerlich angenommen werden kann, ohne dass dies mit einer entsprechenden Bewusstseinsbildung einhergehen muss. Dadurch werden die Schranken christlichen Einflusses aufgezeigt. Aufgrund der Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität christlicher Machtfülle bezüglich einer Konversion kann die Adoption von Christentum als verstörende Posse aufgeführt werden. Christliche Missionierungsbemühungen, deren oftmals traumatische Auswirkun- gen im kollektiven Gedächtnis der Juden eingebrannt sind, hatten nicht nur in der fernen Vergangenheit stattgefunden, sondern waren auch um die Wende vom neun- zehnten zum zwanzigsten Jahrhundert Teil des jüdischen Alltages in der Habsburger- monarchie. Sie waren somit eine aktuelle Gefahrenquelle und Thema des zeitge- nössischen Diskurses über christliche Judenfeindschaft. Durch die Maskierung als Christkind wurden solche Aktivitäten einerseits dem Spott ausgesetzt, und anderer- seits wurden sie „bewältigt“. Nach Victor Turner neigt man nämlich dazu, sich als Über koloniale Tendenzen in der Habsburgermonarchie siehe Johannes Feichtinger, „Habsburg (post)- colonial. Anmerkungen zur inneren Kolonisierung in Zentraleuropa“, in : Johannes Feichinger, Ursula Prutsch, Moritz Csáky (Hg.), Habsburg postcolonial, Innsbruck 2003, S. 13–32. Jacob Toury, „Defense Activities of the Österreichisch-Israelitische Union before 1914“, in : Jehuda Reinharz (Hg.), Living with Antisemitism. Modern Jewish Responses, Hanover/nh 1987, S. 167–192, S. 188–190. Oesterreichische Wochenschrift 8 (1900), S. 137–139.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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