Page - 420 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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0 Siegfried Mattl
und Französischen. Daneben gestaltete er das Fremdenblatt um und verpasste der
langweiligen Hauszeitschrift des Kaisers (1915) ein neues Erscheinungsbild und eine
illustrierte Wochenbeilage. Nach 1918 konzentrierte er sich zwar mehr auf seine Ro-
manschriftstellerei, fand aber neben seiner Tätigkeit als Kulturchef der Neuen Freien
Presse und Korrespondent verschiedener deutscher Tageszeitungen und des Pester
Lloyd noch die Zeit, für den Zsolnay-Verlag und für die Vita-Film die künstlerische
Mentorenschaft zu übernehmen. Salten ließ kein journalistisches und literarisches
Genre aus. So enthält sein Gesamtwerk neben rund zwanzig Romanen und Dutzen-
den Novellen, elf Theaterstücken und in etwa ebenso vielen Filmdrehbüchern, neben
Künstlermonografien, Reiseberichten, politischen Essaysammlungen und Kinderbü-
chern auch eine Werbeschrift für Teppiche. Die Zahl seiner politischen Feuilletons,
Theaterkritiken, Stadt- und Zeitbilder wird man mit 7.000 nicht überschätzen. Von
1927 bis 1933 war er auch noch Präsident des österreichischen Pen-Clubs und als
solcher an führender Stelle in die kulturpolitischen Konfrontationen mit den autori-
tären und faschistischen Regimen involviert. Diese unvollständige Aufstellung legt
die schlichte Frage nahe, wie Salten neben dieser Arbeit auch nur irgendwie noch an
dem teilhaben konnte, was als Ensemble zionistischer Diskurse vorgestellt werden
könnte. Und um darauf jetzt schon zu antworten : Saltens Aussagen zum Zionismus
waren nicht programmatischer Art, sondern in hohem Maße die Artikulation von
Selbstermächtigung auf unterschiedlichen Niveaus seiner Karriere.
Saltens Korrespondenz weist ihn als initiativen Pol eines ausgedehnten interna-
tionalen Netzwerkes von Kulturschaffenden aus, der sich in seiner Bedrängnis im
Schweizer Exil auch persönlich an den amerikanischen Finanzminister Henry Mor-
genthau wenden kann, dessen Vater er auf einer diplomatischen Mission in Istanbul
und dessen Mutter er im Salzburger Salon Max Reinhardts kennengelernt hatte.
Johannes Brahms war sein Zimmernachbar in der Villa Brühl am Attersee und der
sozialdemokratische Stadtrat Julius Tandler sein Jagdgast in Stockerau. Mit Josefine
Mutzenbacher, der Lebensgeschichte einer wienerischen Dirne, und dem opulent il-
lustrierten, medienkulturell avancierten Buch Wurstelprater schreibt er sich auf Dauer
in die Wiener populare Kultur und urbane Mythologie ein, wenn auch wenige wissen,
wem sie diese lokalen Preziosen zu verdanken haben.
Dennoch ist das Wissen um Salten, sein Leben und sein Werk höchst beschränkt.
Vor allem die Beziehungen Saltens zum Judentum und zum Zionismus sind weitge-
hend in Vergessenheit geraten, dem die im September 2007 erschienene, voluminöse
Dissertation von Manfred Dickel Ein Dilettant des Lebens will ich nicht sein. Felix
Salten zwischen Zionismus und Jungwiener Moderne Abhilfe verschafft. Dieses Verges-
Felix Salten an Henry Morgenthau Jun., 15.4.1942, Nachlass Felix Salten, Archiv Lea Wyler, Zürich.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519