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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Page - 424 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus

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Siegfried Mattl repräsentistisch, sondern objektivierend und kritisch-distanzierend. Sie folgt, auch das ist im obigen Zitat mitgemeint, einer Universalgrammatik, die sich des Partiku- laren als Material annimmt. Das aber bedeutet, dass die kommende jüdische Kultur bzw. das moderne jüdische Theater einen Bruch mit der Tradition beziehungsweise der Folklore vornehmen muss. Welche Rolle kommt dann aber dem Zionismus zu ? Für Salten ist der Zionismus eine regulative Idee, eine Utopie, die einen intellektuellen Autonomisierungsprozess in Gang setzen soll. Es ist kein Territorialisierungskonzept, sondern eine Strategie der Subjektivierung, die an den „Third space“ Homi K. Bhabhas und der postkolonialen Theorie gemahnt. Nur so ist auch zu begreifen, warum er in seinen Nachrufen und Gedenkreden auf Herzl auf dem Journalisten und Schriftsteller Herzl beharrte, dass er zur merkwürdigen Formulierung fand, Herzls Konzeption eines jüdischen Staates sei „ein Ateliertraum“, ein Märchen, das sich gegen die Erwartungen des Künstlers zur lebendigen Bewegung entfaltete.9 Nur so ist auch zu verstehen, dass in seinem Palästina-Buch zwar Herzl in den autobiografischen Skizzen, die Salten dem Buch einschreibt, eine herausragende Rolle spielt, dass aber Herzls Roman Altneuland nir- gends im Text als Referenz aufgeboten wird und eine signifikante Absenz bildet. Jede Auseinandersetzung mit den institutionellen Konzepten Herzls hätte die Intimitäts- beziehung zwischen zwei Schriftstellern, die Salten beanspruchte, relativiert. 0 Immer wieder im Laufe seines Lebens betonte Salten die Weichenstellung in seinem Leben, die die persönliche Bekanntschaft mit Herzl bedeutet hat. Ebenso verwehrte er sich aber dagegen, über die Erfahrung der Selbstermächtigung und der Rückge- winnung von Selbstrespekt hinauszugehen, die sich für Salten lebensgeschichtlich mit den Anfangsjahren der zionistischen Bewegung in Wien verknüpften. An dieser Stelle – auch wenn es ein Risiko birgt – wird man doch auf die Position Saltens im Kreis der Jung-Wiener Literaten zurückkommen müssen. Innerhalb des engeren Krei- ses mit Schnitzler, Hofmannsthal und Beer-Hofmann reklamierte Salten für sich die Stelle eines sozialen Außenseiters, eines Straßenkindes, dem der Schutz und die Für- sorge eines bürgerlichen oder großbürgerlichen Milieus fehlten. In seinen autobio- grafischen Skizzen präsentiert sich Salten stets als schlecht gebildeter Autodidakt, der seine abgebrochene Schulbildung in der Volkslesehalle (oder in der Anatomie) nach- holen und als Versicherungspolizzenschreiber seinen Unterhalt verdienen musste. Schließlich verlief sein eigener beruflicher und sozialer Aufstieg zum einflussreichen Vgl. Homi K. Bhabha, „Cultural Diversity and Cultural Differences“, in : Bill Ashcroft u. a. (Hg.), The post-colonial studies reader, London, New York 1995, S.206–209. Die Zeit, 4.7.1904 ; vgl. auch Felix Salten : „Theodor Herzl“, in : ders., Geister der Zeit. Erlebnisse, Berlin, Wien, Leipzig 1924, S. 76ff. 0 Vgl. Felix Salten, Neue Menschen auf alter Erde, Berlin, Wien, Leipzig 1925.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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