Page - 437 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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„Schund“, „Jargon“ und schöner Schein
Im Anschluss daran entstanden weitere Theaterstücke, die in einer geschlossenen
jüdischen Welt spielten, auf dem Land und in Shtetln, wie es sie zur Zeit der Entste-
hung der Texte gar nicht mehr gab, Stücke wie etwa Grüne Felder und Ein verworfener
Winkel, beide von Perez Hirschbein.
Nicht nur auf dem Theater, sondern vor allem auch im Film wurde in den fol-
genden Jahren eine jüdische „Gegenwelt“, basierend auf Nostalgie, konstruiert. Eine
Welt, die schon zur Entstehungszeit der Texte und Filme nicht mehr existierte und
wahrscheinlich deshalb so populär war (der Film JiDl mitn FiDl etwa gilt als der
erfolgreichste jiddische Film, er zeigt eine arme, aber doch intakte jüdische Welt, ge-
dreht in Polen 1937).
Zurück zum Dibbuk und der Welt, in der das Stück spielt : Dass diese nicht wieder
hergestellt werden konnte, war selbst euphorischen Kritikern klar. Sie und die Thea-
terautoren brachten aber eine weitere „neue“ Welt ins Spiel : Palästina, das in eini-
gen Theatertexten der späten Zwanziger- und Dreißigerjahre als der Endpunkt einer
Reise, die vom Shtetl ausging, und als eine erreichbare Gegenwelt gezeigt wurde.
„Schund, „Jargon“ und „schöner Schein“. Jüdische Erfahrung/en im jüdischen
Theater – diese Erfahrungen sind es, die das jüdische Theater für die Zeitgenossen so
wichtig machte. Das Theater spiegelte nicht nur die Erfahrungen – in den Themen
und Inhalten, in der Auseinandersetzung um die jiddische Sprache etwa –, sondern es
bot durch die Konstruktion von Gegenwelten – nostalgischen und utopischen – auch
Ansätze bei der Suche nach einer neuen jüdischen Identität.
Vgl. etwa Abisch Meisels, Von Sechistow bis Amerika. Fun sechisstow bis amerika. Eine Revue in 15 Bildern.
A rewi in 15 bilder, aus dem Jiddischen übersetzt und hg. von Brigitte Dalinger und Thomas Soxberger,
Wien 2000.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519