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6 3 1 Der Teufel
Im Zentrum der Bekämpfung des Aberglaubens stand die Auseinandersetzung
mit den kursierenden Vorstellungen und Bildern des Teufels, von Hexen und
anderen Fabelwesen. Tatsächlich ist der Teufel auf den Verbotslisten sehr prä-
sent, die Zensur betrieb also symbolische Teufelsaustreibung, um die Infektion
mit dem Virus der betreffenden attraktiven Vorstellungen zu unterbinden. Mit
der Ausbreitung der Aufklärung erschien der Teufelsglaube als schädlich und
zunehmend als Kennzeichen sozialer und/oder moralischer Segregation, als
typisch für Randgruppen, die aus der Gesellschaft abgedrängt bzw. sozial diszi-
pliniert werden sollten. „Der Teufel übernimmt die Funktion eines Sicherheits-
ventils in Form eines Fantasiegebilde [!], das die Macht garantiert.“64 Nicht dem
Aberglauben zu folgen, zeichnet gesellschaftlich aus und signalisiert Fortschritt-
lichkeit. Leicht erkennbar ist, dass damit aus Sicht der Herrschenden auch eige-
ne innere Konflikte gelöst und Reste irrationaler Denkformen und Ängste gewis-
sermaßen ausgetrieben werden sollten. Aus dieser Perspektive betrachtet,
richteten sich Verbote auch immer ein wenig an die eigene Adresse, die Gelehr-
ten des 16. und 17. Jahrhunderts hatten beinahe einhellig den ‚Aberglauben‘
geteilt. Alles was hier über den Teufel gesagt wird, ist selbstverständlich immer
in Parallele zum Umgang mit dem eng verwandten Hexenglauben und anderen
Erscheinungen des Aberglaubens zu sehen. Auch sei der Vollständigkeit halber
daran erinnert, dass die hier für Österreich vorgeführten Maßnahmen der
Bekämpfung des Aberglaubens Teil einer letztlich gesamteuropäischen Kampa-
gne der Reglementierung und ‚Läuterung‘ der Populärkultur im Sinne von Ord-
nung und Vernunft waren, die zunächst (erfolglos und zwiespältig) von den
Reformatoren und dann auch von katholischer Seite vorgetragen wurde.
Verboten wurden in Österreich Faustgeschichten, so das Volksbuch in der
zuerst 1599 erschienenen Fassung von Widmann in einer Ausgabe von 1726. Es
verwundert nicht, dass das Volksbuch, das den Teufelspakt und seine Folgen in
allen Details ausführt, verbannt wurde, galt Faust doch als „die beliebteste Figur
in der Geschichte der christlichen Kultur, nach Christus, Maria und dem Satan“.65
Viele Gründe sprachen für ein Verbot, so etwa das Motiv der individualistischen
Rebellion gegen die Autorität, die Papstkritik oder die anstößige Episode mit
der Schönen Helena. Etwas ausführlicher soll hier aber eine Fortführung des
Faustbuchs von 1714 besprochen werden, die das Schicksal von Fausts Famulus
Christoph Wagner schildert. Ihr Titel lautet:
64 Alfonso di Nola: Der Teufel. Wesen, Wirkung, Geschichte. München: Deutscher Taschenbuch
Verlag 1993, S. 278.
65 Jeffrey Burton Russell: Biographie des Teufels. Das radikal Böse und die Macht des Guten in
der Welt. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2000, S. 174.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
282 6. Fallstudien
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510