Page - 257 - in No Copy - Die Welt der digitalen Raubkopie
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nehmen zu Wort. Überraschenderweise stellte sich das Label Nett-
werk Music Group auf die Seite eines der Angeklagten: »Fans zu ver-
klagen ist nicht die Lösung,sondern das Problem«,erklärte der Nett-
werk-Chef Terry McBride.Das Recht sei dazu da,Menschen zu schüt-
zen, nicht dazu, als Schwert geführt zu werden. Nettwerk kündigte
daher an, sowohl die Prozeßkosten des Angeklagten David Greubel
als auch die Strafe im Falle einer Verurteilung zu übernehmen.
Auch in Deutschland verwischen zunehmend die Fronten. So fin-
det sich die GVU plötzlich auf der Seite der Schwarzkopierer wieder,
die sie eigentlich bekämpfen sollte. Nach einer europaweiten Razzia
gegen die Release-Szene im Januar 2006 wurde der Jäger zum Ge-
jagten,als die Polizei auch die GVU wegen Verbreitung von Schwarz-
kopien verdächtigte und die Büros in Hamburg durchsuchte.Bei ihren
Ermittlungen hatte die GVU angeblich die Grenze des Erlaubten über-
schritten und einem Serverbetreiber der Release-Szene Geld gezahlt,
um die kontinuierliche Verbreitung von Schwarzkopien zu gewähr-
leisten und Szenemitglieder überführen zu können.Viele Computer-
nutzer zeigten sich empört darüber,daß die Privatdetektive der GVU
für ihre Fahndung das Material anboten,das sie schützen sollten.
Daher führen die Anstrengungen der Industrie nicht, wie von ihr
erhofft, zu einem stärkeren Unrechtsbewußtsein. Vielmehr beklagt
die Internetgemeinschaft den Verlust individueller Freiheit und die
wachsende Kontrolle der Urheber.Vieles,was bislang selbstverständ-
lich war, wird durch dieses Vorgehen in Frage gestellt. Die Arbeit ei-
nes anderen fortzusetzen, zu verbessern oder daraus eine eigene
Schöpfung zu kreieren wird zunehmend schwieriger.Musikern ist es
mittlerweile untersagt, »Samples« anderer ohne Lizenz in ihre ei-
gene Musik zu mischen. Was seit vielen Jahrzehnten elementarer
Teil der Musikproduktion ist,wird zum »geschützten Material«.Auch
das Benutzen einiger Sekunden eines Films ist ohne Erlaubnis des
Urhebers strafbar, wohingegen man seit Jahrhunderten frei aus Tex-
ten zitieren darf. Viele Künstler werden heute in ihrer Kreativität
durch das Urheberrecht eingeschränkt.
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No Copy
Die Welt der digitalen Raubkopie
- Title
- No Copy
- Subtitle
- Die Welt der digitalen Raubkopie
- Authors
- Jan Krömer
- Evrim Sen
- Publisher
- Tropen Verlag
- Location
- Leipzig
- Date
- 2007
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 3-932170-82-2
- Size
- 13.9 x 19.0 cm
- Pages
- 314
- Keywords
- Raubkopie, Werk, Digitalisierung, Vervielfältigung, Privatgebrauch
- Categories
- Medien
- Recht und Politik
Table of contents
- 1. DIE GESCHICHTE DER SCHWARZKOPIE
- 2. KOPIE DER KOPIE DER KOPIE
- 3. ALL YOU CAN EAT
- 4. DIE KUNST DES CRACKENS
- 5. CRACKERETHIK
- 6. RAUB, KOPIE, PHILOSOPHIE
- 7. IM PARAGRAPHENDSCHUNGEL
- 8. DAS IMPERIUM UND SEINE REBELLEN
- 9. AUFRUHR IM SYSTEM
- NACHWORT 256
- INTERVIEWS
- GLOSSAR 279
- ANMERKUNGEN 290