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Und schlieĂźlich haben Verena Mayer und Roland Koberg 2006 das erste
deutschsprachige Autorinnenporträt in Buchform vorgelegt.26 Innerhalb der
Jelinek-Forschung konnte damit eine längst fällige Leistung erbracht werden.
Das Buch ist gewissenhaft recherchiert und wird vorerst eine der Hauptreferen-
zen für biografische Darstellungen zu Elfriede Jelinek bleiben. Wie verlässlich
die darin zusammengetragenen biografischen Informationen, die zum Teil aus
Interviews und Gesprächen mit der Autorin selbst stammen, tatsächlich sind,
kann zum jetzigen Zeitpunkt mangels alternativer Biografien nicht festgestellt
werden. Die Subjektivität der Darstellung muss daher im Falle einer Beschäfti-
gung mit dem Porträt immer mitberücksichtigt werden.27
Dem Umfang und dem Engagement des bisherigen Sekundärwerks zum
Trotz fehlt bislang eine mit den historischen Disziplinen verschränkte Analyse
des Opfermythos in Jelineks Werk ; zum einen vermutlich deshalb, weil dieser
eine spezifisch österreichische Problematik darstellt und von literaturwissen-
schaftlicher Seite her (sehr unpräzise) vielfach unter den Begriff der »Faschis-
muskritik« subsumiert wird. Zum anderen scheinen Bedeutung und Einfluss
geschichtswissenschaftlicher Diskurse fĂĽr Jelineks Werk nach wie vor unter-
schätzt zu werden.
1.3 Darstellung der Gliederung
»Ordnung ist die Tochter der Überlegung.«28
Um eine Interpretation der ausgewählten Beispieltexte leisten zu können, ist es
zunächst notwendig, die zentralen Begriffe, mit denen in dieser Studie operiert
werden wird, zu definieren und deren Besonderheiten sowie BezĂĽge zu Jelineks
Schreiben kurz darzustellen.
Daher werden in der Einleitung die Begriffe »Faschismus«, »Nationalsozia-
lismus« und »Opfermythos« anhand von Exkursen in die zeithistorische For-
schung theoretisch erläutert. Zudem wird im Rahmen dieses Kapitels in die
Trivialmythentheorien Roland Barthes’ eingeführt, da die Schriften des franzö-
sischen Philosophen und Semiotikers Jelineks eigene ästethische Position maß-
geblich geprägt und die Entwicklung ihres Destruktionsverfahrens vermutlich
initialisiert haben.
26 2005 hatte Yasmin Hoffmann unter dem Titel »Elfriede Jelinek. Une biographie« das erste
Porträt in französischer Sprache veröffentlicht.
27 Vgl. Kapitel 1.5 dieser Studie.
28 Lichtenberg, zitiert nach : http://www.aphorismen.de (Zugriff am 10.4.2010).
20 | Einleitung
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Title
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Subtitle
- Eine historiografische Untersuchung
- Author
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 328
- Keywords
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. ResĂĽmee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319