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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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77Katholizismus und Nation Sprachenfrage ließ sich die Kirche als Raum ethnozentristisch beanspru- chen und narrativ begrenzen, als ob die Kirche nur einer »Nationalität« gehören dürfte. Durch solche Raumansprüche erhöhte sich das sprachen- bezogene Konfliktpotenzial. Die Frage etwa, ob die Messe lateinisch oder altslawisch (glagolitisch) gelesen sowie die Predigten auf der Muttersprache der jeweiligen Kirchgänger gehalten werden sollten, spaltete nicht nur Kir- chengemeinden, die ethnisch-sprachlich heterogen waren wie etwa in Istrien (Kapitel  3.1), sondern auch die ethnisch-sprachlich homogenen Kirchenge- meinden im Triestiner Hinterland (Kapitel  3.2) oder am Ungarisch-Kroati- schen Küstenland (Kapitel  4.1). Besonders die Frage der altslawischen Litur- gie  – ein mittelalterliches Privileg mehrerer ostadriatischer Bistümer  – sorgte für kirchen- und nationalpolitische Debatten (vgl. Kapitel  3.1.4, 4.1.4, 4.2.4). Worum handelte es sich dabei ursprünglich? Das Privileg, altslawische Gottesdienste lesen zu dürfen, entstand noch im Kontext der Christianisie- rung des europäischen Ostens und Südostens im Mittelalter.102 Im 9.  Jahr- hundert wurden Kyrill und Method, zwei byzantinische Missionare, zu den Südslawen geschickt, um sie zu christianisieren.103 Dazu wurde ein eigenes Alphabet, das sog. »Glagoljica«, entworfen.104 Nach dem Ost-West-Schisma durften einige Diözesen in Westkroatien, Istrien und Dalmatien das Alpha- bet und die dazu gehörige altslawische Sprache als Liturgiesprache einer sonst nach lateinischem Ritus zelebrierten Messe beibehalten.105 Der Ritus blieb also lateinisch,106 aber innerhalb dieses Ritus wurde die Verwendung der altslawischen Sprache und der glagolitischen Schrift (als eigener Usus) ab dem 10.  Jahrhundert zuerst nur geduldet,107 dann ab 1248 mit einer Ent- 102 Peter Plank, Die geschichtliche Entwicklung der orthodoxen Kirche im Südosten und Osten Europas, in: Wilhelm Nyssen  u. a. (Hg.), Handbuch der Ostkirchen- kunde, Düsseldorf 1984, Bd.  1, S.  133–223, hier S.  136f. 103 Vgl. Anton Benvin, Prenošenje glagoljske tradicije u liturgiji [Übertragung der gla- golitischen Tradition in der Liturgie], in: Croatica Christiana Periodica 4 (1980), S.  124–135, hier S.  125ff. 104 Zum glagolitischen Alphabet siehe  u. a. Wilhelm Lettenbauer, Zur Entstehung des glagolitischen Alphabets, in: Slovo. Časopis Staroslavenskoga Instituta u Zagrebu (1953), S.  35–50; einige Theorien gehen aber von einer gothischen Herkunft des glagolitischen Alphabets aus, siehe dazu Josip Škunca, O podrijetlu glagoljice [Von der Herkunft der Glagolica], in: Riječki teološki časopis 22 (2014), S.  135–162. 105 Mile Bogović, Hrvatsko glagoljaštvo kao inkulturacijski proces [Kroatische Glagolica als Inkulturationsprozess], in: Riječki teološki časopis 23 (2015), S.  317–324, hier  S.  317f. 106 Zur Begrifflichkeit vom lateinischen Ritus und glagolitischen Usus siehe  u. a. Stephan Smežik, The Glagolitic or Roman-Slavonic Liturgy, Cleveland / Rome 1959, S.  15f.; sowie Predrag Bukovec, Der glagolitische Usus des römischen Ritus, in: Ostkirchliche Studien 64 (2015), S.  96–129, hier S.  97. 107 Es ist schwierig  – wegen der sporadischen Quellenlage  – festzustellen, ab wann westkroatische und dalmatinische Pfarreien die glagolitische Liturgiesprache prak- tizierten. Die erste Erwähnung der altslawischen Liturgiesprache aus kroatischspra- chigen Gebieten war gerade ein Verbot, das während des Konzils von Spalato / Split
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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