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86 Österreichisches Küstenland
forderte den Verein mit Hinweis auf die katholische Idee auf, bei kirchlichen
Feierlichkeiten keine national markierten Symbole zu verwenden: »Kommt
alle […] als gute Christen«.5 Die nationalliberale, italienischsprachige Elite
von Triest lehnte die slowenischsprachig beschrifteten, kirchlichen Fahnen
ebenso ab – freilich nicht aus christlicher, sondern antislawischer Überzeu-
gung.6 Wie der Triestiner Stadtrat Zanetti hinsichtlich einer späteren Pro-
zession sagte, die slowenischen Kirchenfahnen seien ein »Angriff auf das
nationale Gefühl des Landes«.7 Trotz der bischöflichen und städtischen Auf-
forderungen gab der slowenischsprachige Kirchenverein nicht nach. Am Tag
der Fronleichnamsprozession erschienen daher »zahlreiche Slowenen aus
allen Theilen der Umgebung« – wie der Polizeibericht schrieb – bei der Kir-
che San Giacomo / Sveti Jakob, um mit ihrer slowenischsprachigen Kirchen-
flagge in die Innenstadt zu marschieren. Als ihnen der örtliche Pfarrer die
bischöfliche Untersagung mitteilte – Bischof Šterk hatte Angst vor Gewalt-
akten während der Prozession –, kam es tatsächlich zu Zusammenstößen.8
Aber nicht mit den »Italienern«, wie es befürchtet wurde, sondern zwischen
den slowenischsprachigen Teilnehmern und dem ebenso slowenischspra-
chigen Priester. Die Polizei schaltete sich sofort ein. Sechs Männer wurden
festgenommen und wegen Körperverletzung angeklagt: Nur drei davon wur-
den letztendlich zu 3–5 Monaten verschärften Kerkers verurteilt. Die Polizei
stellte von den festgenommenen Personen fest, dass »[k]ein einziger […] im
Triester Gebiete geboren oder heimatsberechtigt« sei.9 Sie waren slowenisch-
sprachige Katholiken aus dem ländlichen Hinterland.
Auf den ersten Blick scheint dieser Vorfall die These eines national
umkämpften, gespaltenen Kirchenlebens zu bestätigen, in dem nationale
Polarisierungen und Selbstverortungen die Autorität der Kirche immer mehr
geschwächt hätten. Eine solche Interpretation des Falles wäre keineswegs
neu, sie würde der lange dominierenden historiographischen Tendenz ent-
sprechen, die katholische Kirche des österreichischen Küstenlandes, beson-
ders in Triest und Istrien, in der Spätphase des Habsburgerreiches als nati-
onal gespalten zu beschreiben.10 Der Vorfall in der Triestiner Vorstadt ließe
5 Italienische Übersetzung des slowenischsprachigen, bischöflichen Briefes an den
Verein (8. Juni 1900), in: Ebd. [übersetzt aus dem Italienischen von mir].
6 Im Gegensatz dazu zeigte die italienischsprachige, katholische Zeitung von Triest
und Istrien, La Ricreazione, Verständnis und Sympathie für die slowenisch beschrif-
tete Kirchenflagge, die gemäß der Zeitung keine guten Christen stören dürfe;
La Ricreazione, 1. Juli 1900.
7 Rede von Zanetti (21. Juni 1900), in: Verbali del Consiglio della Città di Trieste.
Annata XL
– 1900 [Protokolle des Stadtrates von Triest, Jahr XL, 1900], Trieste 1900,
S. 43 [übersetzt aus dem Italienischen von mir].
8 Polizeibericht (14.
Juni 1900), in: AST, Luogotenenza, AP, b.
229, fasc.
1.16.7, 1900/43.
9 Polizeibericht (21. Oktober 1900), in: Ebd., fasc. 1.16.33, 1900/2970.
10 Zu dieser Meinung siehe u. a. Blasina, Die Kirche und die nationale Frage in den
adriatischen Gebieten, S. 187ff.; Frank Wiggermann, K. u. K. Kriegsmarine und
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303