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103Konflikte
um die Nationalisierung
oft andere Unterschiede hindurch: Im Jahre 1904 warf etwa eine italienisch-
sprachige Familie dem kroatischsprachigen Pfarrer in Lussinpiccolo / Mali
Lošinj, Don Bonefačić, vor, aus nationalistischen Gründen ihren verstorbe-
nen Verwandten nicht begraben zu wollen. Don Bonefačić rechtfertigte seine
Weigerung hingegen damit, dass weder die Familie noch der Verstorbene die
Gottesdienste besucht hätten und dass der Sterbende die letzten Sakramente
ausdrücklich abgelehnt hätte.68 Die priesterliche Entscheidung, dem Begräb-
nis nicht beizuwohnen, wäre demnach von einer konservativen, streng kle-
rikalen Einstellung motiviert gewesen.69 Bischof Mahnič war der Ansicht,
dass den meisten Beschwerden antiklerikale, politische Ziele zugrunde lägen.
Auch im Falle eines anderen Begräbnisses, wo der Familie die gewünschte
lateinische Zeremonie nicht erteilt wurde, bemerkte Bischof Mahnič, dass
die Familie mit dem Konflikt gegen ihn und die katholische Kirche demons-
trieren wollte: »nun aber kann ich als Bischof zu antikirchlichen und poli-
tischen Demonstrationen meine Hand nicht herleihen«.70 Er stand unter
zweifachem Druck. Einerseits wollten einige kroatischsprachige Priester
aus dem niederen Klerus die Präsenz der kroatischen Sprache im Kirchen-
leben verstärken, was viele italienischsprachige Katholiken von der Kirche
zu entfremden drohte. Andererseits nutzten die antiklerikalen Akteure die
angespannte Situation in der Kirche aus, indem sie die ethnisch-sprachlichen
Differenzen für politische Ziele intensivierten. Bischof Mahnič musste alle
Versuche abwehren, die den innerkirchlichen Frieden aufgrund ethnisch-
nationaler Ausgrenzungen gefährdet hätten.
Die Sprachenfrage betraf auf den Inseln auch den schulischen Religions-
unterricht. Auch wenn die Schulen, bis auf die privaten, von den Kommunen,
die in Istrien meistens italienisch-nationalliberal regiert waren, bestimmt
wurden, ermöglichte der Religionsunterricht es dem jeweiligen lokalen
Priester, sich als Religionslehrer in die schulischen Curricula und die Spra-
chenfrage einzumischen, indem er etwa in den italienischsprachigen, kom-
munalen Schulen kroatisch- oder slowenischsprachigen Religionsunterricht
hielt. In mehreren Schulen (wie etwa ab 1898 in der italienischsprachigen
einer kirchlichen Person und einer italienischsprachigen Familie, und der Tote
musste ohne priesterliche Assistenz begraben werden; vgl. Brief von Bischof Mahnič
(24. Dezember 1906), in: Ebd., b. 307, fasc. 19b, 1906/1778].
68 Bericht der Bezirkshauptmannschaft von Lussin / Lošinj (24.
Oktober 1904), in: AST,
Luogotenenza, Atti presidiali riservati (Reservierte Präsidialakten, weiter: AP ris.),
b. 5, fasc. 5.6.1., 1904/4112.
69 Brief von Don Bonefačić an Bischof Mahnič (24. Dezember 1904), in: Ebd.
70 Brief von Bischof Mahnič (28. September 1899), in: Bericht der Bezirkshauptmann-
schaft von Lussin / Lošinj (7. Februar 1898), in: AST, Luogotenenza, AP, b. 223,
fasc. 4.1.15., 1899/2404.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303