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106 Österreichisches Küstenland
politischer Positionen – als »Freimaurer« (»Farmasonen«) bezeichnete.81
Don Ptašinski gehörte zu den slawischen Priestern, die gleichzeitig klerikal
und slawisch-nationalistisch eingestellt waren. Indem sie die »Italiener« als
antiklerikal markierten, konnten sie nationale Abneigungen gegenüber den
»Italienern« und klerikale Ideen verbinden. Weil sie aber dadurch die italie-
nischsprachigen Katholiken ebenso provozierten, trugen sie zur nationalen
Spaltung der Kirche – insofern zur Schwächung kirchlicher Position – bei.
Das Verhältnis der italienischsprachigen Einwohner mit dem Pfarramt war
in San Giovanni di Sterna / Sv. Ivan od Šterne schon unter dem Vorgänger
von Don Ptašinski, dem ebenso antiitalienisch eingestellten Don Ante Ned-
ved, angespannt gewesen: Gegen ihn gab es sogar nächtliche Demonstratio-
nen im Mai 1895 vor seinem Pfarrhaus.82
Don Ptašinski agitierte besonders während der Wahlkämpfe gegen »die
italienische Partei«.83 Das war die Partei der antiklerikalen Nationallibera-
len, die überwiegend aus italienischsprachigen Bürgern bestand – insofern
wurde diese Partei in den Predigten einfach als »Italiener« beschimpft. Er
hob somit den nationalen Gegensatz statt des politischen hervor. Italienisch-
sprachige Katholiken, die die Gottesdienste von Don Ptašinski besuchten,
lehnten zwar – als gute Katholiken und loyale Staatsbürger – die antikleri-
kalen, nationalliberalen Ideen ab. Es entstanden aber innerhalb der Kirche
auch Spannungen wegen der nationalen Zuschreibungen politischer Positi-
onen. Einerseits trug Don Ptašinski antiliberale Ideen, die in der Kirche in
ganz Europa anzutreffen waren, mit einem nationalen Vokabular vor, als ob
alle »Italiener« liberale Ideen unterstützt hätten. Andererseits glaubte er, die
Kirche vor den liberalen Ideen dadurch zu schützen, dass die »kroatische«
Prägung der Kirche verstärkt werden solle. »Italienisch« war insofern für ihn
verdächtig. Don Ptašinski geriet infolgedessen nicht nur mit der »italieni-
schen«, das heißt nationalliberalen, Partei in Konflikt
–, sondern letztendlich
mit allen italienischsprachigen Mitgliedern seiner Kirchengemeinde. Er hätte
ihnen sogar einmal gesagt: »Die Slawen waren, die Slawen sind und bleiben,
und ihr [Italiener
– P.
T.] werdet alle zum Teufel gehen«. Dass sein Verhältnis
mit der Kirchengemeinde konfliktbeladen war, hatte andere Ursachen.84
81 Bericht des Landes-Gendarmarie-Commandos von San Lorenzo / Sveti Lovreč
(9. April 1897), in: DAP, Kapetanat Poreč, Op.Sp., kut. 63, fasc. D1.
82 Bericht an den Bürgermeister von Grisignana / Grožnjan (ohne Datum), in: Ebd.,
kut. 50, fasc. I/9, 4800/1895.
83 Bericht der Bezirkshauptmannschaft von Parenzo / Poreč (2. Mai 1897), in: Ebd.,
kut. 63, fasc. D1, 269 – 97 – D1.
84 Zitiert im Bericht des Landes-Gendarmarie-Commandos von San Lorenzo / Sveti
Lovreč (9. April 1897), in: Ebd., 2908 – 97 – L6.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303