Page - 121 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Image of the Page - 121 -
Text of the Page - 121 -
121Konflikte
um die Nationalisierung
Akteure. Ihr Ziel bestand darin, die kirchlichen Räume für nationalistische
Homogenitäts- und Einheitsimaginationen – als ob die katholische Kirche
ein »nationaler Besitz« der »Südslawen« wäre – zu beanspruchen.
Das kirchliche Feld schien für die soziale und nationale Emanzipation
ein geeigneter Raum zu sein: Einerseits waren die südslawischen Priester in
einer eindeutigen Mehrzahl in Istrien, und auch die mehrheitlich italienisch-
sprachigen Ortschaften hatten oft einen südslawischen Priester. Andererseits
konnten die südslawischen Bauern ihre Identität im Katholizismus einfacher
und selbstbewusster erleben als etwa die italienischsprachigen Katholiken,
deren politische Öffentlichkeit (die italienischsprachige Öffentlichkeit der
Küstenstädte) liberal und antiklerikal eingestellt war. Während ein natio-
nalistisch gefärbter, italienischsprachiger Katholizismus widersprüchlich
gewesen wäre – auch im neu entstandenen Königreich Italien verhielten und
äußerten sich die dortigen klerikalen Kreise lange sehr skeptisch gegenüber
dem italienischen Nationalismus
–, ließen sich nationale und klerikale Ideen
bezüglich des ländlichen »Südslawentums« einfacher verbinden. Einerseits
war die Meinung, dass der Katholizismus die wesentliche Identität der »Slo-
wenen« und der »Kroaten« ausmache, auch in südslawisch-nationalistischen
(sogar unter nationalliberalen) Kreisen – im Gegensatz zu den meist anti-
klerikalen, italienisch-nationalistischen Kreisen der österreichischen Küs-
tenstädte – weit verbreitet. Andererseits ließ sich der südslawische Nationa-
lismus – wie etwa der Triestiner Sozialist, Angelo Vivante, bemerkte – auch
innerhalb des katholischen, imperialen Staatsgedankens und Rahmens
gut erleben.
Klerikalismus und Austroloyalismus [austriacantismo], die die Verbreitung des natio-
nalen Bewusstseins unter den Italienern verhinderten oder zumindest nicht förderten,
erfüllen andere Funktionen unter den Slawen. […] Der slawische Priester […] erreichte
mit den gleichen Mitteln andere Ergebnisse, weil das slawische, nationale Bewusstsein
mit dem katholischen nicht im Widerspruch steht, und es entwickelte sich besser als
das italienische auch im dynastischen oder staatlichen Umfeld.151
151 Angelo Vivante, Irredentismo adriatico [Adriatischer Irredentismus], Trieste 1984
[Firenze 1912], S. 200 [übersetzt aus dem Italienischen von mir].
back to the
book Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914"
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303