Page - 134 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Image of the Page - 134 -
Text of the Page - 134 -
134 Österreichisches Küstenland
katholische Kirche übertreten wollen, weil er dort als griechisch-katholischer
Geistlicher seine Freundin endlich heiraten könne.193 Schon Ende Juni 1900
berichtete Ugo Mioni, ein italienischsprachiger Priester und Verleger in
Triest, dem Wiener Nuntius Emidio Taliani über die »korrupte Moral« von
Don Požar.194 Don Mioni glaubte zu wissen, dass Don Požar in einem »Kon-
kubinat« lebe: Um seine Geliebte heiraten zu können, habe Don Požar die
Ignoranz des lokalen Volkes ausgenutzt und zum Übertritt bewegt.195 Der
Vorwurf bezüglich des Privatlebens von Don Požar tauchte jedoch später nie
wieder in den Quellen auf. Auch der griechisch-katholische Bischof, den er
wegen der Aufnahme des Dorfes ansuchte, ernannte nicht ihn zum neuen
griechisch-katholischen Kaplan von Ricmanje. Don Požar wandte sich später
dem zivilen Beruf eines Journalisten zu.
Die negative Meinung über Don Požar übermittelte Nuntius Taliani an
Kardinal Rampolla. Don Taliani verkannte dabei die griechisch-katholische
Kirche, in deren kroatisches Bistum Ricmanje und Log übertreten wollten:
Er bezeichnete fälschlicherweise den griechisch-katholischen (also mit Rom
unierten) Bischof von Križevci als »schismatisch«, als ob er orthodox gewe-
sen wäre.196 Den Dorfbewohnern war der Unterschied zwischen den Riten
ebenso nicht klar, aber die kirchenrechtlichen und theologischen Unter-
schiede spielten für sie keine große Rolle. Die Motivationen für den Übertritt
waren vielmehr pragmatisch bestimmt
– wie es mehreren Polizeiprotokollen
zu entnehmen ist. Der bereits zitierte Ivan Valentič erklärte seinen Schritt mit
dem sozialen Druck: Weil alle anderen im Dorf übergetreten seien, habe er
sich dieser Tendenz nicht entziehen können und wollen. Petar Hrvatič fand
den zu zahlenden Beitrag zu hoch, und deswegen wollte er aus der römisch-
katholischen Kirche – und insofern aus der Pfarrei von Dolina – austreten.
Beide betonten aber, dass sie »katholisch« bleiben wollten; Ivan Valentič
glaubte sogar, dass der griechisch-katholische Ritus älter sei als der lateini-
sche.197 Nur ein einziger Befragter, Andrej Kuret aus Log, erwähnte, dass er
übergetreten sei, weil ihm versprochen wurde: »wir werden so slowenischen
Gottesdient haben«. Er beteuerte aber wie alle anderen Befragten, mit Don
Požar nie über die Übertritte geredet zu haben.198
193 Bericht der Bezirkshauptmannschaft von Capodistria / Koper an die Statthalterei
von Triest (23. August 1900), in: AST, C.d. Capodistria, Culto, b. 170, fol. 493f.
194 Brief von Don Mioni an Msgr. Taliani (27.
Juni 1900), in: AAV, ANV, b.
692, fol.
273f.
[übersetzt aus dem Italienischen von mir].
195 Brief von Don Mioni an Msgr. Taliani (3. Dezember 1900), in: Ebd., fol. 286.
196 Don Taliani an Msgr. Rampolla (1. Dezember 1900), in: AAV, ANV, b. 692, fol. 282
[übersetzt aus dem Italienischen von mir].
197 Protokolle über die Aussagen von Ivan Valentič und Petar Hrvatič (10. September
1900), in: ADT, GO, 1900/2385.
198 Protokolle über die Aussagen von Ivan Žuljan und Andrej Kuret (14. September
1900), in: Ebd. [übersetzt aus dem Slowenischen von mir].
back to the
book Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914"
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303