Page - 136 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Image of the Page - 136 -
Text of the Page - 136 -
136 Österreichisches Küstenland
[orthodoxen] Agitatoren – die sie bereits zu umschlingeln versuchten – zu
befreien und sie der heil. kathol. Kirche zu erhalten«.204 Er meinte daher,
dass eine Ablehnung des Übertrittes die Lage vor Ort nur verschlechtern
würde.
Bischof Drohobeczky nahm im
November 1900 die Anforderung aus Ric-
manje und Log positiv entgegen und erklärte sich bereit, die dortige Kirche
in sein Bistum als eigenständige Pfarrei aufzunehmen: Er teilte die neue
griechisch-katholische Kirchengemeinde in das dalmatinische Vikariat des
Bistums ein und ernannte Šandor Abodić zum neuen Pfarrer.205 Don Požar
wurde nicht zum griechisch-katholischen Priester, wie in den Gerüchten
um sein Privatleben öfters erzählt wurde. Die bischöfliche Entscheidung
bedurfte aber der päpstlichen Zusage – und diese kam nicht. Der Hl. Stuhl
stimmte dem Übertritt des Dorfes nicht zu.
Der Fall erreichte schnell die österreichischen Medien: Die liberalen Zei-
tungen behandelten ihn im Kontext des »Nationalitätenkonfliktes«. Das
Neue Wiener Tagblatt meldete etwa am 6. November 1900, dass »[s]ämtliche
Bewohner sich für den griechisch-katholischen Ritus ausgesprochen [haben],
und zwar aus nationalen Gründen, um die Einführung der slawischen Litur-
gie zu erreichen«.206 Für die Tageszeitung war der Grund klar: innerkirchli-
cher Nationalismus. Andere Töne schlug die katholische Presse an, die eine
Nationalisierung des Kirchenlebens vermeiden wollte. Die italienischspra-
chige, katholische Zeitung aus Triest, La Ricreazione, betonte die Tatsache,
dass die Einwohner von Ricmanje auch nach einem eventuellen Übertritt
in die griechisch-katholische Kirche mit dem Papst vereint blieben.207 Die
Zeitung wollte vermeiden, dass die Einheit der katholischen Völker im Küs-
tenland durch ähnliche Nachrichten und Fälle gefährdet und zerstört werde
(vgl. Kapitel 3.1.4). Don Mioni, der Herausgeber der katholischen Zeitung
L´Amico aus Triest, machte jedoch auch die südslawenfreundliche Politik
des Hl. Stuhls für den Übertritt verantwortlich.208 Im Falle von Ricmanje
griff der Hl. Stuhl aber entschieden durch. Papst Leo XIII ließ weder den
Rituswechsel (das heißt den Übertritt in das Bistum von Križevci) noch den
altslawischen Usus innerhalb des lateinischen Ritus zu, und er erlaubte nur
den slowenischsprachigen Gesang in der Kirche von Ricmanje. Der Hl.
Stuhl
204 Brief vom Bischof Drohobeczky an das österreichische Kultusministerium
(29. Dezember 1900), in: AST, Luogotenenza, AP, b. 265, fasc. 4.1.5., 1900/3427.
205 Brief vom Bischof Drohobeczky an die Triestiner Statthalterei (16.
November 1900),
in: AST, Luogotenenza, AG, b. 791, 1900/26479.
206 Neues Wiener Tagblatt, 6. November 1900 [Hervorhebung von mir].
207 La Ricreazione, 16. Dezember 1900.
208 Brief von Don Mioni an Msgr. Taliani (3. Dezember 1900), in: AAV, ANV, b. 692,
fol. 286.
back to the
book Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914"
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303