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143Kirchenstreit
im ländlichen Hinterland
keinen Gehorsam zu leisten habe.241 Er beschwerte sich beim Hl. Stuhl,
dass er seit Januar 1903 keine finanzielle Unterstützung mehr erhalte: »mir
[bleibt] daher nichts übrig als entweder nach Amerika auszuwandern oder
zur Advokatur überzutreten«.242 Don Požar wurde inzwischen auch bezich-
tigt, Wertsachen aus der Ricmanjer Kirche gestohlen zu haben. Ein gewisser
Domenico Fabris hatte 1900 der dortigen Kirche einen großen Fußteppich
hinterlassen. Der Teppich verschwand irgendwann plötzlich aus der Kirche.
Einige hätten ihn mit anderen Wertsachen aus der Dorfkirche in der Triesti-
ner Privatwohnung von Don Požar gesehen.243 Don Požar wurde später von
den Vorwürfen freigesprochen. 1907 beantragte er seine Pensionierung,244
was ihm ab 1910 zugesprochen wurde.245
Der anfängliche Konflikt um den suspendierten Dr. Požar erlangte die
Aufmerksamkeit der deutschnationalen, antiklerikalen Öffentlichkeit Öster-
reichs, die ihn als Opfer des Klerikalismus feierte. Das deutschnationale, pro-
testantische, antiklerikale Grazer Tagblatt veröffentlichte Anfang
April 1903
eine längere Reportage über ihn und Ricmanje: Ein Journalist aus der stei-
erischen Landeshauptstadt besuchte Ricmanje, dessen slowenischsprachige
Bewohner er »im Gegensatze zu vielen ihrer Stammesgenossen in anderen
wendischen [slowenischen – P. T.] Gegenden« als viel offener empfand. Als
Don Požar ihm die Türe aufmachte, erinnerte er den Journalisten sogar an
Martin Luther. Don Požar verglich selbst »die heutige Gährung unter den
Südslawen« mit den Kämpfen der deutschen Reformation. Das Blatt sah
Ähnlichkeiten zwischen dem dörflichen Widerstand und der deutschnati-
onalen Los-von-Rom-Bewegung.246 Für die antiklerikale, deutschnationale
241 Brief von Don Požar an das Bistum von Triest (27. Dezember 1902), in: ADT, GO,
1903/1.
242 Kopie des Briefes von Don Požar an den Hl. Stuhl (31. Dezember 1903), in: ŽAR,
Kosmač, fasc. 4 [keine weitere Nummerierung].
243 Brief von Maria Senizza an das Triestiner Bistum (19. Dezember 1903), in: ADT
GP, 1903/3982. Die Bezirkshauptmannschaft von Capodistria / Koper bemerkte in
ihrem Bericht, dass auch andere wertvolle Sachen aus der Kirche in der Triestiner
Privatwohnung von Dr. Požar gesehen worden seien; vgl. Kopie des Berichtes der
Bezirkshauptmannschaft von Capodistria / Koper (16. März 1904), in: ADT, GO,
1903/3982.
244 Brief von Dr. Požar (20. Juni 1907), in: Ebd., 1907/1715.
245 Brief der Triestiner Statthalterei an das Bistum von Triest (3. Mai 1910), in: Ebd.,
1909/307.
246 Die »Los-von-Rom«-Bewegung war eine antikatholische, antihabsburgische,
deutsch nationale, meist protestantisch geprägte Strömung in Österreich, welche die
Habsburgermonarchie und ihre tolerante Nationalitätenpolitik sowie den supra-
nationalen Katholizismus ablehnte und einen politischen wie geistigen Anschluss
der Deutschösterreicher an das Deutsche Reich und den deutschen Protestantis-
mus forderte. Die Bewegung stand den antisemitischen Kreisen ebenso nahe.
Über die Bewegung siehe Karl-Reinhart Trauner, Die Los-von-Rom-Bewegung.
Gesellschaftspolitische und kirchliche Strömung in der ausgehenden Habsburger-
monarchie, Szentendre 1999.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303