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Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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158 Österreichisches Küstenland im Sommer 1908 eine rasche Lösung für den Fall: »mehr als Hundert nicht getaufte Kinder christlicher Eltern, Dutzende von Familien ohne gesetz- lich eingegangene, somit ungültige Ehen, der Abgang jedweden kirchlichen Unterrichten und religiösen Funktionen im Dorfe.«318 Der gesellschaftliche Ausnahmezustand in Ricmanje, der sich etwa in der entschlossenen und radikalen Ablehnung der kirchlichen Obrigkeit und in den aufgelockerten Lebensumständen (hohe Zahl unehelicher Kinder, Zusammenleben ohne Heirat usw.) manifestierte, stimmte die Dörfer in der Gegend um. Anschei- nend ging die Radikalisierung in Ricmanje für die umliegenden, ebenso slo- wenischsprachigen Dorfgemeinschaften zu weit. Die Bewohner in Ricmanje bekamen die Isolation immer mehr zu spüren. Die Statthalterei in Triest berichtete im  Oktober 1908, dass der jetzt 8 Jahre währende, ganz exzeptionelle Zustand bei der Bevölkerung Rizmanje’s schliesslich das Bestreben erzeugt hat, in den Schoss der römisch-katholischen Kirche zurückzukehren. Wie ich aus verlässlicher Quelle erfahre […], ist die Bevölkerung Rizmanje’s darüber besorgt, dass der Ort infolge der Ungebundenheit der jeden sittli- chen Einflusses entzogenen Jugend immer mehr gemieden wird; dass daher die öffent- lichen Lokale sich keines Zuspruches mehr erfreuen; dass mit den als konfessionslos zu betrachtenden Jünglingen und Mädchen des Ortes Niemand aus der Umgebung mehr eine Ehe eingehen will, u. dgl. m.319 In der Sache der Liturgiesprache meldete Laginja im  Februar 1909, dass diese nach der mündlichen Absprache mit dem Triestiner Bistum »als erle- digt zu betrachten ist«.320 Insofern blieb nur die Pfarreifrage zu lösen. Es mussten eine Errichtungsurkunde ausgestellt und die Pfarrerwahl festgelegt und ausgeschrieben werden. Die finanzielle Lage musste, etwa infolge der seit mehreren Jahren nicht mehr entrichteten Zahlungen an die Pfarrei von Dolina, ebenso abgeklärt werden.321 Am 29.  April 1909 wurde die Pfarrei- errichtungs- und Donationsurkunde angenommen. Infolgedessen endete die Verpflichtung der Dorfbewohner in Ricmanje und Log, dem Pfarrer in Dolina weitere Zahlungen leisten zu müssen. Das Patronat über die Kirche übernahm Ricmanje, alle männlichen Pfarrinsassen durften somit an der Pfarrerwahl teilnehmen. 318 Kopie des Briefes von Matija Laginja (28.  Juli 1908), in: ADT, GP, 1908/54. 319 Brief des Triestiner Statthalters an das österreichische Kultusministerium (4.  Okto- ber 1908), in: ÖStA, Allgemeines Verwaltungsarchiv (weiter: AVA), Unterricht und Kultus: Katholischer Kultus (weiter: KK), 455: Pfarren im Küstenland: R (weiter: 455, R), 455.3 Signatur 42: Ri  – Rizmanje (weiter: 455.3, 42: Ri). 320 Erklärung von Matija Laginja, beigefügt der Ricmanje-Akte (11.  Februar 1909), in:  Ebd. 321 Brief des Triestiner Statthalters an das Bistum von Triest (9.  November 1909), in: ADT, GP, 1908/54.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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