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Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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163Kirchenstreit im ländlichen Hinterland »Italienern« und den »Slowenen«  – sondern unter den »Slowenen«, die unter- schiedliche kirchenpolitische Ansichten hatten. Was als »Nationalitätenkon- flikt« bekannt ist, waren oft eher intraethnische Konflikte, in denen um die Deutungshoheit über den eigenen »nationalen« »Raum«, aber nicht gegen eine andere Nationalität, gerungen wurde.340 Der Widerstand in Ricmanje erfreute sich dementsprechend  – trotz des nationalistischen Diskurses, der den Fall für den Kampf des ganzen »Slowenentums« beanspruchte  – keiner einheitlichen Unterstützung und Sympathie in der slowenischsprachigen Öffentlichkeit Österreichs. Das slowenischsprachige, klerikale Blatt Slo- venec hielt den Dorfbewohnern vor, dass »Hl.  Kyrill und Method mit sol- chen »Unierten« [Griechisch-Katholiken  – P. T.] kaum zufrieden wären«.341 Die christlich-soziale Slowenische Volkspartei (»Slovenska Ljudska Stranka«) nannte die Vorfälle in Ricmanje sogar eine »Schande des ganzen sloweni- schen Volkes«.342 Die slowenischsprachigen klerikalen Kreise erkannten darin die Gefahr, dass die nationalpolitische Instrumentalisierung der Spra- chenfrage die Bande der slowenischsprachigen ländlichen Bevölkerung mit der katholischen Kirche lockern könne. Der Fall in Ricmanje lässt sich aus den folgenden zwei Gründen nicht als »Nationalitätenkonflikt« begreifen: Die Sprachenfrage stellte eine lokale und keine nationalpolitische Forderung seitens der Dorfbevölkerung dar, und selbst die slowenischsprachige Öffentlichkeit war  – zwischen national- liberalen und klerikalen Kreisen  – gespalten. Die lokalen Gegebenheiten in Ricmanje erhielten dennoch mittels eines nationalistischen Vokabulars neue Bedeutungen. So entstand das Bild eines slowenischsprachigen Dorfes, das sich im Interesse ihrer Nationalität und Sprache der katholischen Kirche und einer »italienisch« dominierten Öffentlichkeit widersetzte. Vier Ebenen / Momente asymmetrischer Konflikte zeichneten sich in Ricmanje ab: gegenüber der Pfarrei, dem Bistum, der römisch-katholischen Kirche und der institutionalisierten Religiosität. Im Grunde ging es in allen vier Konfliktebenen und -momenten um die aktive Selbstbehauptung eines kleinen Dorfes innerhalb des kirchlichen Raumes. Dabei wurde Ricmanje von außen her immer wieder unterschiedlich  – weil nur punktuell  – wahr- genommen: Mal als ein trotziges Dorf (gegen die Pfarrei in Dolina), mal als ein slowenisch-nationalistisches Dorf (gegen das Bistum), mal als ein religiös non-konformes Dorf (gegen die Kirche), mal als ein unreligiöses Dorf (gegen die Religiosität). Auf den vier Konfliktebenen handelten die Dorfbewohner  – zwar für das- selbe Ziel (die Selbstbehauptung), aber  – mit unterschiedlichen Mitteln und 340 Judson, Guardians of the Nation, S.  68. 341 Slovenec, 27.  März 1903 [übersetzt aus dem Slowenischen von mir]. 342 Ebd., 27.  September 1907 [übersetzt aus dem Slowenischen von mir].
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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