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163Kirchenstreit
im ländlichen Hinterland
»Italienern« und den »Slowenen«
– sondern unter den »Slowenen«, die unter-
schiedliche kirchenpolitische Ansichten hatten. Was als »Nationalitätenkon-
flikt« bekannt ist, waren oft eher intraethnische Konflikte, in denen um die
Deutungshoheit über den eigenen »nationalen« »Raum«, aber nicht gegen
eine andere Nationalität, gerungen wurde.340 Der Widerstand in Ricmanje
erfreute sich dementsprechend – trotz des nationalistischen Diskurses, der
den Fall für den Kampf des ganzen »Slowenentums« beanspruchte – keiner
einheitlichen Unterstützung und Sympathie in der slowenischsprachigen
Öffentlichkeit Österreichs. Das slowenischsprachige, klerikale Blatt Slo-
venec hielt den Dorfbewohnern vor, dass »Hl. Kyrill und Method mit sol-
chen »Unierten« [Griechisch-Katholiken – P. T.] kaum zufrieden wären«.341
Die christlich-soziale Slowenische Volkspartei (»Slovenska Ljudska Stranka«)
nannte die Vorfälle in Ricmanje sogar eine »Schande des ganzen sloweni-
schen Volkes«.342 Die slowenischsprachigen klerikalen Kreise erkannten
darin die Gefahr, dass die nationalpolitische Instrumentalisierung der Spra-
chenfrage die Bande der slowenischsprachigen ländlichen Bevölkerung mit
der katholischen Kirche lockern könne.
Der Fall in Ricmanje lässt sich aus den folgenden zwei Gründen nicht
als »Nationalitätenkonflikt« begreifen: Die Sprachenfrage stellte eine lokale
und keine nationalpolitische Forderung seitens der Dorfbevölkerung dar,
und selbst die slowenischsprachige Öffentlichkeit war – zwischen national-
liberalen und klerikalen Kreisen – gespalten. Die lokalen Gegebenheiten in
Ricmanje erhielten dennoch mittels eines nationalistischen Vokabulars neue
Bedeutungen. So entstand das Bild eines slowenischsprachigen Dorfes, das
sich im Interesse ihrer Nationalität und Sprache der katholischen Kirche und
einer »italienisch« dominierten Öffentlichkeit widersetzte.
Vier Ebenen / Momente asymmetrischer Konflikte zeichneten sich in
Ricmanje ab: gegenüber der Pfarrei, dem Bistum, der römisch-katholischen
Kirche und der institutionalisierten Religiosität. Im Grunde ging es in allen
vier Konfliktebenen und -momenten um die aktive Selbstbehauptung eines
kleinen Dorfes innerhalb des kirchlichen Raumes. Dabei wurde Ricmanje
von außen her immer wieder unterschiedlich – weil nur punktuell – wahr-
genommen: Mal als ein trotziges Dorf (gegen die Pfarrei in Dolina), mal als
ein slowenisch-nationalistisches Dorf (gegen das Bistum), mal als ein religiös
non-konformes Dorf (gegen die Kirche), mal als ein unreligiöses Dorf (gegen
die Religiosität).
Auf den vier Konfliktebenen handelten die Dorfbewohner
– zwar für das-
selbe Ziel (die Selbstbehauptung), aber – mit unterschiedlichen Mitteln und
340 Judson, Guardians of the Nation, S. 68.
341 Slovenec, 27. März 1903 [übersetzt aus dem Slowenischen von mir].
342 Ebd., 27. September 1907 [übersetzt aus dem Slowenischen von mir].
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303