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172 Ungarisch-Kroatisches Küstenland
der örtlichen kirchlichen Obrigkeit in Fiume / Rijeka und der Region stark
belasteten: die Debatten um die Liturgiesprache (was nicht nur eine inner-
kirchliche, organisatorische Angelegenheit blieb) sowie die starke kroatisch-
sprachige Präsenz im Kirchenleben.5 Beide Debatten drückten der Kirche
vor Ort eine »kroatische« Prägung sowohl in den Augen der italienisch- als
auch der kroatisch-nationalen Kreise auf.
Zu diesen nationalpolitischen Diskursen, die auch in der österreichischen
Hälfte den kirchlichen Raum nach nationalen Bezeichnungen markierten,
gesellte sich ein weiteres, spezielles Problem in Fiume / Rijeka. Es geht um
die kirchenrechtliche Zugehörigkeit der Region: Fiume / Rijeka und das
Ungarisch-Kroatische Küstenland gehörten zum kroatischen Bistum von
Senj. Infolgedessen waren die Bischöfe – im Unterschied zu den Bistümern
in der österreichischen Reichshälfte – immer kroatischer Abstammung,
und der Klerus wurde im kroatischsprachigen Seminar in Senj ausgebildet.
Besonders in der Stadt Fiume / Rijeka – wie es noch im Kapitel 4.2 näher
erörtert wird – eröffnete diese Konstellation eine staatspolitische Dimen-
sion der inner- und antikatholischen Diskurse, weil die Stadt staatsrechtlich
unmittelbarer Teil von Ungarn war. Die kroatisch-nationale Ausrichtung des
örtlichen Klerus wurde in Fiume / Rijeka italienischer- und ungarischerseits
öfters beklagt und eine kirchenrechtliche Verselbstständigung angestrebt.
Tatsächliche Konflikte zwischen dem Klerus und der lokalen Ebene entstan-
den aber überraschenderweise nicht im urbanen, multiethnischen Milieu der
Hafenstadt, sondern auf der ländlichen, meist kroatischsprachigen Ebene, als
etwa das Bistum die altslawische Liturgiesprache einführte (Kapitel
4.1) oder
einen vor Ort beliebten Pfarrer absetzte (Kapitel 4.2).
In diesem Kapitel stehen zwei lokale, innerkatholische Konflikte im Mit-
telpunkt. Es geht um kroatischsprachige Dörfer, die mit kirchlichen und
staatlichen Einmischungen konfrontiert waren. Im südlichen Teil des Bis-
tums Senj rebellierten 1894 die Bewohner in mehreren überwiegend kroa-
tischsprachigen Dörfern gegen die angeordnete altslawische Liturgiesprache.
Im ländlichen Hinterland von Fiume / Rijeka wehrten sich die Bewohner
einer kroatischsprachigen Untergemeinde zwischen 1908 und 1910 gegen die
vom Bistum erzwungene Absetzung ihres beliebten Priesters. Im ersten Fall
richtete sich die Wut gegen die lokalen Geistlichen, im zweiten Fall mani-
festierte sie sich im Interesse eines lokalen Priesters. In beiden Fällen zeigte
sich die lokale Ablehnung gegenüber den äußerlichen Einmischungen. Um
die Gründe für die lokalen Widerstände zu erkennen, ist es angebracht, sich
der lokalen Konsequenzen der nationalisierenden Diskurse anzunehmen.
5 Die starke kroatische Präsenz hing auch damit zusammen, dass die Kirche den kro-
atischsprachigen, etwa bäuerlichen Schichten, Ausstiegsmöglichkeiten bot, derer die
italienischsprachige Bevölkerung nicht bedurfte; vgl. Fried, Emlékek városa, S. 92f.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303