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183Konflikte
im Bistum Senj
dings nicht den Erwartungen der Kirchenhierarchie entsprechend. Bereits
im Mai 1894 kamen die ersten Nachrichten aus Kriviput, einem größeren
Dorf in der Nähe des Bischofsitzes Senj, darüber, dass sich die Bewohner
als Erstes gegen die »neue« Liturgiesprache auflehnten. Der örtliche Pfarrer,
Konrad Modrčin, berichtete der Bezirkshauptmannschaft Ende Mai 1894,
dass er wegen der Einführung der neuen Liturgiesprache bedroht worden
sei. In ihrem Bericht an die Landesregierung in Zagreb meinte die Gespan-
schaftssverwaltung, dass die Aufstände entweder deswegen ausbrachen, weil
die Menschen die neue Liturgiesprache schlechthin nicht verstünden – oder
weil »einige fanatische[…] Gläubige[…]« das Volk zuvor »gegen die geistliche
und weltliche Macht« aufgehetzt hätten.42
Was war passiert? Am 24.
Mai 1894 in der Früh bereitete sich Don Modrčin
auf die Messe und die darauffolgende Fronleichnamsprozession vor, wel-
che er in altslawischer Liturgiesprache abhalten wollte. Noch davor suchten
ihn mehrere Menschen aus dem Dorf und der Gegend bei der Pfarrerwoh-
nung auf, um zu erfahren, ob die Messe »nach altem Gebrauch«, das heißt
volkssprachlich oder in altslawischer Sprache, gelesen werden würde.43 Es
ist dabei auffällig, dass die Dorfbewohner die altslawische Liturgie, eine aus
dem Mittelalter stammende Praxis, als etwas Neues empfanden, und dass
demgegenüber die bisherige Praxis der volkssprachlichen oder lateinischen
Liturgie in ihren Augen »den alten Gebrauch« darstellte. Die altslawische
Liturgiesprache war für sie eine fremde, unbekannte Angelegenheit, welche
sie rein sprachlich an die orthodoxen Gottesdienste der serbischen Bevöl-
kerung erinnerte. Daher nannten sie die altslawische Sprache »vlachisch«,
womit sie eigentlich »serbisch« (also in der Region: serbisch-orthodox) mein-
ten. Es ist jedoch nicht klar, ob der in den Quellen anzutreffende Begriff
»Vlache« national oder religiös zu verstehen war.44
Don Modrčin antwortete den aufgeregten Menschen in Kriviput, dass er
sich an das halten müsse, was ihm sein Bischof vorgeschrieben habe. Die
Menschen wollten aber unbedingt verhindern, dass am Feiertag des Fron-
leichnams eine altslawische Messe in der Dorfkirche gelesen werden würde.
Daher verwehrten sie dem Pfarrer den Zugang in die Kirche. Mehrere Dorf-
42 Bericht der Gespanschaftsverwaltung (županski oblast) von Lika-Krbava (31. Mai
1894), in: HDA, ZV, Pr., kut. 487, 1962/1894, broj 668ž [übersetzt aus dem Kroati-
schen von mir].
43 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj über die Mitteilung des
Pfarrers von Kriviput (25. Mai 1894), in: Ebd., broj 2818 [übersetzt aus dem Kroati-
schen von mir].
44 Die Vlachen, als ein eigenständiges, ursprünglich rumänisches Volk, wanderten ab
dem 15. Jahrhundert vom südlichen Teil des Balkans in die nördlicheren Gebiete,
zuerst nach Bosnien und von dort aus nach Lika-Krbava; dazu siehe
u. a. Karl Kaser,
Familie und Verwandtschaft auf dem Balkan. Analyse einer untergehenden Kultur,
Wien u. a. 1995, S. 104ff.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303