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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Seite - 183 -
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183Konflikte im Bistum Senj dings nicht den Erwartungen der Kirchenhierarchie entsprechend. Bereits im  Mai 1894 kamen die ersten Nachrichten aus Kriviput, einem größeren Dorf in der Nähe des Bischofsitzes Senj, darüber, dass sich die Bewohner als Erstes gegen die »neue« Liturgiesprache auflehnten. Der örtliche Pfarrer, Konrad Modrčin, berichtete der Bezirkshauptmannschaft Ende  Mai 1894, dass er wegen der Einführung der neuen Liturgiesprache bedroht worden sei. In ihrem Bericht an die Landesregierung in Zagreb meinte die Gespan- schaftssverwaltung, dass die Aufstände entweder deswegen ausbrachen, weil die Menschen die neue Liturgiesprache schlechthin nicht verstünden  – oder weil »einige fanatische[…] Gläubige[…]« das Volk zuvor »gegen die geistliche und weltliche Macht« aufgehetzt hätten.42 Was war passiert? Am 24.  Mai 1894 in der Früh bereitete sich Don Modrčin auf die Messe und die darauffolgende Fronleichnamsprozession vor, wel- che er in altslawischer Liturgiesprache abhalten wollte. Noch davor suchten ihn mehrere Menschen aus dem Dorf und der Gegend bei der Pfarrerwoh- nung auf, um zu erfahren, ob die Messe »nach altem Gebrauch«, das heißt volkssprachlich oder in altslawischer Sprache, gelesen werden würde.43 Es ist dabei auffällig, dass die Dorfbewohner die altslawische Liturgie, eine aus dem Mittelalter stammende Praxis, als etwas Neues empfanden, und dass demgegenüber die bisherige Praxis der volkssprachlichen oder lateinischen Liturgie in ihren Augen »den alten Gebrauch« darstellte. Die altslawische Liturgiesprache war für sie eine fremde, unbekannte Angelegenheit, welche sie rein sprachlich an die orthodoxen Gottesdienste der serbischen Bevöl- kerung erinnerte. Daher nannten sie die altslawische Sprache »vlachisch«, womit sie eigentlich »serbisch« (also in der Region: serbisch-orthodox) mein- ten. Es ist jedoch nicht klar, ob der in den Quellen anzutreffende Begriff »Vlache« national oder religiös zu verstehen war.44 Don Modrčin antwortete den aufgeregten Menschen in Kriviput, dass er sich an das halten müsse, was ihm sein Bischof vorgeschrieben habe. Die Menschen wollten aber unbedingt verhindern, dass am Feiertag des Fron- leichnams eine altslawische Messe in der Dorfkirche gelesen werden würde. Daher verwehrten sie dem Pfarrer den Zugang in die Kirche. Mehrere Dorf- 42 Bericht der Gespanschaftsverwaltung (županski oblast) von Lika-Krbava (31.  Mai 1894), in: HDA, ZV, Pr., kut.  487, 1962/1894, broj 668ž [übersetzt aus dem Kroati- schen von mir]. 43 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj über die Mitteilung des Pfarrers von Kriviput (25.  Mai 1894), in: Ebd., broj 2818 [übersetzt aus dem Kroati- schen von mir]. 44 Die Vlachen, als ein eigenständiges, ursprünglich rumänisches Volk, wanderten ab dem 15.  Jahrhundert vom südlichen Teil des Balkans in die nördlicheren Gebiete, zuerst nach Bosnien und von dort aus nach Lika-Krbava; dazu siehe  u. a. Karl Kaser, Familie und Verwandtschaft auf dem Balkan. Analyse einer untergehenden Kultur, Wien  u. a. 1995, S.  104ff.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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