Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Seite - 122 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 122 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914

Bild der Seite - 122 -

Bild der Seite - 122 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914

Text der Seite - 122 -

122 Österreichisches Küstenland 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche Wie verhielt sich eine solche klerikal-nationale Symbiose mit der universalis- tischen Idee der katholischen Kirche? Gerade in Gebieten, wo die katholische Bevölkerung ethnisch-sprachlich heterogen war, bestand die Gefahr, dass Pries- ter eine ethnisch-sprachliche »Gruppe« bevorzugten. Im Interesse der gesam- ten Kirche stand vielmehr eine katholisch begründete Überwindung eth- nisch-sprachlicher Polarisierungen. Im Folgenden wird kurz aufgezeigt, wie die katholische Obrigkeit und Teile der katholischen Öffentlichkeit in Istrien auf die innerkatholischen, nationalisierenden Tendenzen der lokalen Ebene reagierten. Die katholische Religion ist  – wie schon ihr Name zeigt  – universalistisch und supranational konzipiert und nicht von nationalen Gruppenidentitä- ten, sondern vom individuellen Glauben von Menschen unterschiedlicher Herkunft bestimmt.152 Aber diese Individuen, die vor der Kirche als Gottes einheitliches Volk stehen, haben nicht nur eine religiöse Zugehörigkeit, son- dern auch andere Zugehörigkeiten, die sie jenseits und unterhalb des katho- lischen Universalismus in partikularen, tradierten Mitgliedschaften, Iden- titäten, Zugehörigkeiten und Gegebenheiten verwurzeln ließen. Eine davon war die national-sprachliche Selbstbestimmung. Die »Nationen«, die seit der Mitte des 19.  Jahrhunderts in der Habsburgermonarchie eine immer größere, öffentlichkeitsgenerierendere Bedeutung gewannen, waren zwar elitäre Kon- strukte, die der lokalen Ebene erst aufgezwungen werden mussten  – aber diese Konstrukte konnten sich auf vorhandener faktischer Basis entwickeln.153 Solch eine Basis bildete die Sprache. In Gesellschaften, die jahrhundertelang in mehreren Sprachen miteinander kommunizieren konnten, entstanden Vorstellungen von »sprachlichen Grenzen«, die die gelebte Plurikulturalität in einen negativen Multikulturalismus, das heißt in ein getrenntes Neben- einander (statt Miteinander) unterschiedlicher Völker verwandelten.154 Im fast homogen katholischen Istrien konnten deswegen innerkirchliche Kon- flikte zwischen katholischen Pfarrern und ihren Gemeinden entstehen. Die italienischsprachigen und die südslawischen Menschen waren nicht durch die Konfession voneinander getrennt  – wie es etwa zwischen Kroaten und Serben im Ungarisch-Kroatischen Küstenland der Fall war (Kapitel  4.1.2)  –, insofern beanspruchten nationalistische Akteure denselben kirchlichen 152 Christine Alix, Le Saint-Siège et les nationalismes en Europe 1870–1960, Sirey 1962, S.  32. 153 Karl F. Bahm, Beyond the Bourgeoisie. Rethinking Nation, Culture, and Modernity in Nineteenth-Century Central Europe, in: Austrian History Yearbook  29 (1998), S.  19–35, hier S.  33. 154 Judson, Do Multiple Languages Mean a Multicultural Society?, S.  70.
zurück zum  Buch Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914"
Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Umkämpfte Kirche